Pulp

Der „Eichenring“ zu Scheeßel gleicht Wallensteins Lager: Nach anderthalb Tagen Schweinerock, Saufen und Zelten unter gleißender Sonne liegen die ersten Kollabierten im Graben am Wegesrand; die Feuerwehr beschießt die Horden vor der Bühne mit Wasserwerfern. Im sogenannten „Alternativ-Zelt“ lärmen Such A Surge, während Pulp zu „Do You Remember The First Time?“ anheben. Was macht Jarvis Cocker in dieser heißen Hölle? Wir erinnern uns an Zeiten, da der Sex-Gott in angemessenen Clubs auftrat, in denen es zwar ebenso heiß war, das Publikum aber nicht besengt. Der späte Besucher des,,Hurricane“-Festivals wird von einer zerlumpten Gestalt um eine Kippe angebettelt: 40 000 Menschen und kein Zigaretten-Automat. Jarvis hat seine Freude daran; er liebt Festivals. Vbn dort oben muß es noch viel ^^__ lustiger aussehen, wie sich gleich hinter den ersten Reihen von Interessierten ein weites Feld Erschöpfter erstreckt, die zwischen Pinkelbuden und Fischbrötchenständen die Gesetze der Zivilisation aushebeln. Jarvis aber ist es noch nicht heiß genug: Mit dem ihm eigenen Humor fordert er mehr Strahlkraft. Bei „Sorted Out For E’s And Wizz“, „TV Movie“ und „A Little Soul“hält er plötzlich eine akustische Gitarre und pfeift ein bißchen. Offenbar ist alle Erdenschwere von Cocker abgefallen, seit „This b Hardcore“ die Charts hinuntergestürzt und an Hits nicht mehr zu denken ist. So hält er vor „TV Movie“ immer wieder die kleine Predigt, wie man vor dem Fernseher seine Lebenszeit mit Soaps vergeudet, während draußen die Sonne scheint Hat er mal ein halbes Jahr lang gemacht Ist nicht gut, Kinder. Onkel Jarvis scheint am Ziel.

Genüßlich inszeniert der Pädagoge den sinistren Höhepunkt der seltsamen Show, die beängstigende Porno-Operette „This Is Hardcore“. Und während das Schlagwerk stampft, der Loop loopt und das Keyboard bimmelt, die Sonne brennt und nicht nur das Hemd feucht wird, bildet sich über dem Zelt rechts der Bühne ein Regenbogen, ein richtiger Regenbogen, wie wir ihn als Kind bestaunt haben, und Jarvis fragt „What would you do for an encore?“ und wirft sich in „Glory Days“, winselt eru’gmatisch „I want my mummy“, zelebriert „Common People“, gießt sich aus einer Flasche Wasser über den Kopf. Und geht ab.

An der Getränkebude ist die Miranda aus, und wir fahren nach Haus.

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