Programmatisch der Name: New Radicals. Problematisch ihr Bandleader: er hat ’ne Macke
Die Hartnäckigkeit, mit der Gregg Alexander sich sträubt, über die Musik seiner Band New Radicals zu sprechen, hat etwas sehr Drolliges an sich. „Kann schon sein, daß Du nun denkst, ich würd meine Songs hier kleinreden, aber das macht nichts. Die Musik ist nur dazu da, daß die Leute sie einfach gerne hören und genießen. Ich halt mich für selbstbewußt genug, daß ich nicht andauernd hervorheben muß, wie toll oder einzigartig meine Lieder sind. Deshalb red ich lieber über Dinge, die ich für wichtiger erachte.“
Und dann legt er los. – Wer das Album „Maybe You’ve Bern Brainwashed Too “ bereits sein eigen nennt, kann das Pamphlet Alexanders auch im Booklet nachlesen. Für alle anderen sei gesagt: Es ist anstrengend, dem Manne zuhören zu müssen. Gregg findet irgendwie alles furchtbar, verwerflich oder auch einfach nur moralisch abscheulich, was unsere fidele 21.-Jahrhundert-Gesellschaft so zu bieten hat. Wo sollen wir anfangen? Internet, Mobiltelefone, die vielen Kabel-TV-Kanäle, der globale Wettbewerb, Spekulantentum, die Liste ließe sich endlos fortführen, in der Welt, wie Gregg sie sich vorstellt, hätte das alles jedenfalls keinen Platz.
Nun könnte man einfach sagen, der Mann hat ’nen Knall, es war schlecht für seine Entwicklung, daß Mutter leider den Zeugen Jehovas beitrat, als Klein-Gregg gerade sechs war und er seitdem seinen Geburtstag nicht mehr feiern durfte, weil Zeugen Jehovas eben keine Geburtstage feiern (genaugenommen feiern die ja eigentlich gar nichts). Jedenfalls will Gregg heute, wo er eigentlich feiern dürfte, sein Alter nicht verraten, vielleicht hat er es aber auch vergessen, wir wissen es nicht Dafür wissen wir aber, daß Gregg bei all seinen erziehungsbedingten Macken auch durchaus ehrenwerte politische Positionen vertritt: Gleichheit der Rassen, der Geschlechter, freie Wahl der sexuellen Präferenzen, der politischen Orientierung, mehr Chancen für Arme etc. Alles in Ordnung, aber bitte, Gregg, können wir jetzt mal wieder über Deine Musik reden?
Die ist nämlich toll, klingt ungewöhnlich britisch für einen Ami aus Michigan, etwas nach Waterboys und nach World Party, vor allem jedoch nach Prefab Sprout. Die fand er als Junge immer toll, aber „wie lang kann die Begeisterung für ein Lied anhalten? Wenn man ‚Hey Jude‘ ein Jahr lang jeden Tag hört, dann kotzt es einen am Ende an. Genauso ist’s mit ‚You Get What You Give‘ von unserer LP, ein netter Song, doch nur temporär.“ Und was seien schon nette Songs, wo nun Dritte-Welt-Länder aus Verzweiflung Atomwaffen entwickelten? „Musik ist nur ein Werkzeug. Ich möchte die Leute dazu bringen, ihren Kokon zu verlassen und sich statt dessen in der Welt umzuschauen.“
So wie er’s tat Nach der High School haute er von zu Hause ab, zog erst nach L. A, trieb sich dort im Nachtleben herum, zog nach New York und trieb sich auch da im Nachdeben rum. Viele Eindrücke, viele Drogen, viele Liebschaften. – Und viele Songs, die aus seinem unsteten Dasein von damals resultieren. Zurück in L. A. hüpft er so lange bei Plattenbossen auf den Schreibtisch und trägt Stücke vor, bis einer mal nicht mit dem Irrenarzt droht, sondern ihm einen Vertrag offeriert Nun ist Gregg selbst Teil der verabscheuten Geldmaschine, aber das quält ihn längst nicht mehr. „Wir sind eh nur Marionetten, daran werde auch ich nichts ändern.“ Wir lernen: Hin und wieder erhellt Greggs verfinsterten Geist doch noch ein kleiner Lichtstrahl.