Prog aus der Dose
Supergrass haben sich in einer alten Scheune in der Normandie eingeigelt - und ganz neu angefangen
Wie so viele andere Bands, haben auch Supergrass ihr Best of-Album („Supergrass Is 10“ von 2004) für eine Zäsur genutzt. Eine ganze Dekade war immerhin verstrichen, in der viel gute Musik entstanden war, die von Anfang an mit melodischer Treffsicherheit bestach und ganz spielerisch die historischen Vorbilder ins eigene Werk mischte – da war das Fazit zum Jubiläum ein gar nicht unsinniges Anliegen.
Daß die Zäsur dann doch sehr grundsätzlich ausfiel, geschah indes nicht freiwillig. Supergrass schlitterten während der langwierigen Greatest-Hits-Tour in eine ganze Reihe von Krisen und mußten schließlich zur Rettung der Band tiefe Einkehr halten. Man sei über die unendliche Wiederkau der alten Schinken ganz müde geworden, erzählt Bassist Mickey Quinn, aber das war wohl nur der Anfang. Die Rede ist vom Tod von Gaz Coombes‘ Mutter, der viel dringliche Seelensuche ausgelöst habe, und vom ganz gewöhnlichen Trudeln des Lebens, das keinem erspart bleibt, auch nicht eher witzigen Rockstars.
Und dann ist da noch eine in der Klatschpresse unbarmherzig breitgetretene Geschichte über das experimentierfreudige Liebesleben von Schlagzeuger Danny Goffey und Lebensgefährtin Pearl Lowe (früher bei Powder) im Partnertausch mit dem mittlerweile geschiedenen Paar Jude Law/Sadie Frost. „Danny ist schlecht damit fertig geworden“, druckst Quinn, „er hat die Band für einige Monate verlassen, und zunächst wußte keiner so genau, ob er wiederkommt. Aber wir waren eh zu sehr mit der Platte beschäftigt; es ist unser Glück, daß wir unsere Musik immer wichtiger nehmen als uns selbst. Man kommt dann besser klar.“
Um bei der Arbeit für das neue Album wirklich ungestört zu bleiben, reisten Supergrass erneut in die Normandie, die schon früher Zufluchtsort und kreative Keimzelle gewesen ist. Doch diesmal war die Einigelung total: Coombes, Goftey und Quinn mieteten sich in einer verlassenen Scheune ein, karrten eine überschaubare Menge frisch erworbenes Studioequipment über den Kanal – und waren plötzlich ganz mit sich allein. „Wir haben nicht nur zusammen Musik gemacht, sondern auch gekocht und Wäsche gewaschen und so – es war gar keine Zeit, sich über andere Dinge den Kopf zu zerbrechen. So wollten wir’s haben.“
Die persönlichen Umwälzungen und der unbedingte Wille zum musikalischen Fortschritt haben Supergrass in der Normandie ein Album machen lassen, das ganz anders ist als die vorigen. „Road To Rouen“ ist fast gar nicht mehr lustig, aber eben deshalb glaubhaft. Sie spielen bewußt formfreie, gelegentlich überlange Lieder zwischen „Animals“-Pink Floyd, Lennon und T.Rex. Da entsteht ein ganz seltsamer, dosig verhallter Klangkörper, der bei keinem Produzentenwettbewerb einen Blumentopf gewinnen würde. Und eben deshalb viel Eigenart entwickelt. „Für uns war das eine Riesenchance: Praktisch ohne Hilfe eine Platte aufnehmen, obwohl wir von der technischen Seite kaum eine Ahnung haben. Man kommt zu ganz anderen Ergebnissen und zieht nicht bloß seinen Stiefel durch. Wir haben die Mikros umgestellt, bis uns der Sound gefiel. Wir wollten keine Platte machen, die nur verkrustete Hör-Erwartungen erfüllt“, erklärt Quinn. „Natürlich stecken die Erfahrungen der letzten zwei Jahre drin, natürlich klingt alles ernster. Aber es geht nicht um unsere Erfahrungen, sondern um unsere Musik. Und die ist mit uns erwachsener geworden.“