Print-Pop von Frank Schäfer
„439 Gedichte“
(Zweitausendeins, 20Euro) von Charles Bukowski sind last 1000 Seiten hübsch chamoisfarbenes, holzfreies Dünndruckpapier. Looks like Klassikersarg! Jetzt ist er angekommen im Dichterpantheon, wird hier suggeriert, und dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, er ist doch längst kanonisiert, auch akademisiert. Gibt aber immer noch keine Ruhe. Seit ein paar Jahren nämlich vertickt seine Witwe den Nachlass, und so erscheint Gedichtband um Gedichtband in seinem Hausverlag Black Sparrow Press, als säße er wie ehedem im dreckigen Unterhemd vor der alten Schreibmaschine, ein Six-Pack im Kühlschrank, ein weiteres gleich alle, und ballert es rein.
Bukowskis Übersetzer Carl Weissner legt hier eine Auswahl dieser post festum publizierten Gedichte vor und hängt einfach die beiden älteren, ebenfalls bei Zweitausendeins erschienenen Sammelbände „Western Avenue“ und „Eine Kinoreklame in der Wüste“ hinten an, und so bekommt man Bukowskis Lyrik in einer Vollständigkeit, wie sie kaum noch zu goutieren ist. Man wird förmlich erschlagen von den vielen Pferderennen, Nutten, siffigen Bars, Schlägereien und dem notorischen Selbstekel, vor dem ihm augenscheinlich nur die manische Schreiberei geschützt hat. Dass sein Frauenbild reaktionär, dass er misogyn ist bis zum entnervten Abwinken, dass dieses Säufer-Geprahle und Geprolle nicht immer Spaß macht, mit zunehmender Lesedauer sogar immer weniger, kann man ihm vorhalten. All das kann aber Bukowskis Format nicht wirklich verringern, das eines Autors, der sich ohne Rücksichten, eben ganz und gar in die Literatur hineingeschrieben hat, „wie ein Mann, nicht wie ein Künstler“. 4,0
„Viva la poesia“
(Residenz, 34,90 Euro), herausgegeben von Christian Ide Hintze, stellt in Bild, Schrift und Ton die Wiener Schule für Dichtung vor. Um sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, hat er in diesem splendiden Band (sowie auf der dazugehörigen CD) drei ehemalige Gastdozenten gefeatured, die für etwas Medienresonanz sorgen könnten: Nick Cave,Falcound Allen Ginsberg. Cave hält einen sowohl sprachlich als auch intellektuell avancierten Einführungsvortrag über den love song, um dann zur praktischen Arbeit überzugeben. Ein paar Studenten bekommen anschließend Gelegenheit, vom Meister zu schwärmen, aber einen Einblick in den Lehrplan bekommt man durch diese arg poetelnden Skizzen nicht.
Noch schlimmer wird’s im Falco-Kapitel, wo eine Studentin offenbar aus Mangel an weiter Berichtenswertem die Ohren ihres Lehrers besingt: „ob falco die Schallwellen anders empfängt und aufnimmt als du und ich?“ Die Frage muss unbeantwortet bleiben. Er stand ohnehin nur für eine Art Werkstattgespräch zur Verfügung, brachte seine Tage- und Arbeitsbücher mit und ließ die Klasse großzügig Einblick nehmen, mehr verbat ihm ein devoter, nachgerade komplexbeladener Respekt vor der echten Dichtung, eines Jandl, Artmann, Walter Serner, den man diesem alerten Schandmaul eigentlich gar nicht zugetraut hätte.
Richtig schreibwerkstattmäßig ist es wohl noch am ehesten bei Ginsburg zugegangen. Er ist auch der Einzige, der das Geschäft des Dichtens soweit reflektiert hat, um handfeste Maximen abstrahieren zu können. Mit ein wenig Hilfe seiner Freunde und Vorbilder Ezra Pound, William Carlos Williams, Jack Kerouac und einigen anderen propagiert er eine welthaltige, realistische, das Dargestellte individualisierende Poesie, und seine dahingehenden sehr pragmatischen Direktiven könnten Schriftstellernovizen durchaus nützlich sein, zum Beispiel der zehnte seiner „13 schritte der Überarbeitung“: „auf schwachpunkte hin prüfen, die du eigentlich nicht magst und nur aus gründen der trägheit im text belassen hast“. Klingt gut! 2,0
„Voodoo Stew“
(Verbrecher, 14 Euro) von Darius James versammelt ein paar leicht psychedelische, satirische Stories und einige erzählende Essays zur amerikanischen Popkultur. Zweisprachig (englisch/ deutsch), leider lausig lektoriert. James ist so eine Art schwarzer Hunter S. Thompson, rüde, zupackend, assoziativ, oft witzig, und am nachdrücklichsten, wenn er dem Beitrag der „Darkies“ in der Geschichte der amerikanischen Popkultur nachspürt und ihn mit viel Kennerschaft (von ihm stammt etwa auch das Filmbuch „That’s Blaxploitation“) verteidigt gegen die Vereinnahmung durch die fast ausschließlich weiße Popindustrie.
Er schreibt an, großmäulig und engagiert, gegen den nicht nur in der Pop-Prähistorie, in Zeiten von Minstrel Shows und Race Music, zu beobachtenden weißen Verdrängungsimpuls, „als ob man die Seele der Schwarzen stehlen und sich am Genie ihrer Kreativität erfreuen wollte, ohne dass die Schwarzen selbst präsent sind“, gegen eben jenen altbekannten „Impuls, der dazu führte, Tommy Dorsey den King of Swing, Elvis den König des Rock’n’Roll und Tarzan den König des Dschungels zu nennen“. Aber, und das macht all seine Argumentationen schließlich noch überzeugender, er kann die schwarzen Ideologen, jene “ Afro-Pride-Typen“, genauso wenig ausstehen. 3,0