Prince – Sign 0′ The Times
Dass an dem schmächtigen Jungen was dran war, ahnten die Warner-Bosse schon 1977. Da nämlich nahmen sie den 19-jährigen Prince Rogers Nelson unter Vertrag und ließen ihm gleich völlige künstlerische Freiheit. Die wiederum nutzte der Magier in spe, indem er für seine erste Platte den Starproduzenten Maurice White ablehnte. Nicht größenwahnsinnig, sondern ganz normal, jedenfalls für einen, der weiß, was er will. Handwerklich konnte dem wohl talentiertesten und komplettesten Musiker seiner Generation ohnehin keiner was vormachen.
Bereits mit 14 Jahren beherrschte der kleine Prinz knapp zwanzig Instrumente. Aber nicht allein seine Musikalität machte ihn berühmt, auch seine Lust auf Sex. Bald inszenierte er sich als verwegene Kreuzung aus dem androgynen weißen Kindmann Marc Bolan und dem schwarzen Macho Rick James. Seine anzüglichen Texte taten ein Übriges. Mit dem fünften, passgenau auf den Zeitgeist hin produzierten Album „1999“ gelang Prince 1982 der überfällige Durchbruch. Das folgende „Purple Rain“ machte den Magier aus Minnesota zum globalen Massenhelden – nicht zuletzt durch die Tophits „When Doves Cry“ und „Purple Rain“. Prince, endlich ganz oben, weigerte sich, der gefundenen Erfolgsspur zu folgen. Statt dessen brachte er mit „Around The World In A Day“ ein psychedelisches Allerlei und mit „Parade“ (1986) eine meisterliche Verschmelzung von Jazz, Pop und Funk. Danach war die Zeit reif fürs Opus Magnum „Sign O‘ The Times“ – eine große Platte, die große Worte verdient: Das Doppelalbum war einer der wenigen Geniestreiche der Dekade, fasste wie selbstverständlich alle Stile zusammen und vereinte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftzu einem grandios schillernden Pop-Kaleidoskop. Scheinbar aus dem / Straight Handgelenk schüttelte Prince hier die Essenz all dessen, was er bis dahin gemacht hatte: trockener Funk („Housequake“), schlüpfriger Soul („Adore“), experimentelle Elektronik („If I Was Ur Girlfriend“), augenzwinkernder Pop („U Got The Look“), federnder Jazz („Ballad Of Dorothy Parker“), opulenter Rock („The Cross“), Beatles-Zitate („Starfish & Coffee“) plus Plüsch & Kitsch („Slow Love“). Und dann war da noch diese virtuose Gitarre, deren phallische Qualitäten keiner so genüsslich zelebrierte wie der schwarzgelockte Narziss (und Goldmund) aus Minneapolis.