Interview mit Prince-Tänzerin Cat: „Ich las ihm ‚Der Kleine Prinz‘ beim Einschlafen vor“
„Sign O‘ The Times“ gilt als einer der größten Konzertfilme aller Zeiten. Auch dank Tänzerin Cat – sie war das erste Mitglied seiner Band, dem Prince eine ebenbürtige Bühnenpräsenz einräumte.
Catherine „Cat Glover“ ist tot. Die Prince-Muse verstarb am 25. September 2024 mit 60 Jahren. Lesen Sie hier unser Interview mit ihr aus dem September 2019.
Zwischen dem 08. Mai und dem 29. Juni 1987 gaben Prince und seine Band 34 Konzerte in Europa. Integrales Mitglied war Catherine „Cat“ Glover. Mit der Tänzerin lebte Prince auf der Bühne seine erotischen Fantasien aus, bis 1989 und der „Lovesexy“-Tour erarbeitete sie Choreographien für ihn. In der Oktober-Ausgabe des ROLLING STONE blicken wir hinter die Kulissen des Meisterwerks „Sign O‘ The Times“.
Cat, was macht den Konzertfilm so besonders?
„Sign O‘ The Times“ fasziniert Kritiker wie Fans gleichermaßen, das Album und der Konzertfilm galten direkt nach ihrer Veröffentlichung 1987 schnell als seine definitiven Meisterwerke. Für mich ist „Sign O‘ The Times“ einfach der beste Konzertfilm aller Zeiten.
Erfolgreich wurde er jedoch erst auf VHS, in den amerikanischen Kinos ging er unter.
Vielleicht erwarteten die Leute ein zweites „Purple Rain“, einen Spielfilm. Möglich ist, dass manche Leute das Werk damals übersahen, weil viele Umstände auch bei uns in der Band zusammenkamen. Es war die europäische Phase von Prince. Europa liebte Prince, und Prince liebte Europa, er erfuhr dort mittlerweile mehr Anerkennung als in seiner Heimat, den USA. Dann kam es auf Tournee zu einer Art Unfall.
Was war passiert?
Ich weiß nicht mehr, ob ich mich an das Land erinnern könnte, aber es gab ein mächtiges Unwetter dort. Wir traten Open Air auf. Wir hatten uns eine klare Maßgabe gesetzt: Keep performing, keep performing, egal, was passiert. Doch dann kam nicht nur Donner, sondern auch Blitze. Etwas krachte in Boni Boyers Keyboard. Prince erkannte die Gefahr, er sagte hinterher in seiner typischen tiefen Stimme: „Ok, das war’s.“ Er deutete den Unfall als Signal. Er beschloss: „Wir stoppen die Tour, und wir benutzen all die Aufnahmen, die wir von unseren bisherigen Konzerten haben, und basteln daraus einen Film“. Dabei hieß es zuerst nur, wir fahren zurück nach Minnesota. Dass er einen Film würde herausbringen wollen, war eine Überraschung für uns alle.
Das kontinentale Wetter im Sommer 1987 war von Unwetter geprägt. Und ausgerechnet die beiden finalen Konzerte im Londoner Wembley-Stadion wurden abgesagt.
Prince nahm seine Verantwortung ernst, und er entschied, dass wir mit unserem Filmmaterial zurück in den Paisley Park von Minneapolis fahren, neue Drehs hinzufügen und Overdubs unserer Stimmen im Sunset Sound Studio von Los Angeles aufnehmen.
Die Dreharbeiten müssen angenehm gewesen sein: Anstatt 120 Minuten live durchzutanzen, konnten Sie nun Drehpausen einlegen und Songs wiederholen.
Der Vorteil war: Ich wusste, was auf der Paisley-Park-Bühne abgehen würde. Ich kannte meinen Part, und den der anderen auch, ich war schließlich Choreografin der Tour. Herausfordernder war das Schauspiel, wir arbeiteten ja mit einem Regisseur zusammen, Albert Magnoli, der schon „Purple Rain“ anleitete. Im Film sollte ich weinen, in meiner Dialogszene von „I Could Never Take The Place Of Your Man“. Ich spielte eine Frau, die jüngst verlassen wurde, und die meinen Co-Tänzer fragt, „Wally, What Am I Gonna Do?“ Ich konnte aber einfach keine Tränen vergießen, denn für mich war diese Zeit auf Tournee eine der glücklichsten meines Lebens. Albert griff deshalb auf einen alten Trick zurück. Er schnitt eine Zwiebel auf, an der Bar, an der ich lehne. Dann kamen auch die Tränen.
Schauspiel-Momente wie diese sahen viele erstmals auf der Leinwand bzw. im VHS-Video, nicht jeder Fan schaffte es auf eines der 34 Konzerte. Waren die Dialogszenen auch Bestandteile der echten Auftritte?
Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, bei „I Could Never Take The Place Of Your Man“ live derartige Dialog-Szenen dargeboten zu haben. Ich erinnere mich, wie überrascht ich von der Idee einer solchen Performance gewesen bin, als wir für den Film im Paisley Park darüber gesprochen haben. Schauen Sie: Wir waren die ganze Zeit auf Tour, hatten mindestens jeden zweiten Tag einen Auftritt. Deshalb hatte ich manche Konzepte für die Geschichte, die der Film erzählen wollte, auch nicht hinterfragt.
Die Rahmenhandlung verstehe ich bis heute nicht. Es scheint um eine Konfrontation zwischen Ihnen und dem Prince-Nebenbuhler Greg Brooks zu gehen, später liegen Sie in einem Bett und scheinen von Prince zu träumen.
Zu Beginn des Films verlasse ich einen Club und sehe, dass Brooks eine neue Flamme am Start hat. Eigentlich will er mich. Prince will mich aber auch. Ich gebe Prince dann nach, aber eigentlich bin ich im Herzen noch bei Brooks. Nun hat Brooks aber eben seine Neue dabei – und Prince bietet an: Komm zu mir, denk‘ nicht mehr an den Typen!
„Seine Augen sahen wie Tauben aus, wenn er weinte“
Eine ungewohnte Rolle, Prince als tröstender Freund …
Na ja, auch ich war seiner Rolle gegenüber skeptisch, denn er war bekanntermaßen ein Womanizer.
Gab es Momente in Prince‘ Karriere, die Sie gerne choreografiert hätten?
Als „When Doves Cry“ 1984 erschien, arbeitete ich noch in einem Plattenladen in Melrose. Die Choreografie des Songs hätte mich gereizt, aber mir gefiel das, was ich im Video sah, sehr gut. Es sah sogar wunderschön aus, ich hätte nichts daran geändert. Viele Leute wissen nicht, dass „When Doves Cry“ auch von seinen Augen handelte. Seine Augen sahen aus wie Tauben, wenn er weinte.
Der beeindruckendste Moment zwischen Ihnen und Prince im Konzertfilm war der Tanz von „Hot Thing“.
Weiß ich doch. Sagt ja auch jeder.
Warum?
Es lag an der Dramaturgie. Zunächst saß Prince an seiner Orgel und spielte ein Solo. Die ihn beleuchtende Lampe ging nur an, wenn er in die Tasten haute, sie war mit dem Instrument synchronisiert. Das Licht beschien seinen großartigen Hosenanzug, diesen schwarzen, bedruckt mit verschiedenfarbigen Ringen – die grandiose Idee entwickelte Prince mit dem legendären Lichtdesigner LeRoy Bennett. Und wissen Sie was? Für diese Idee ließ Prince sich von Van Halen inspirieren! Leider kann ich mich an den Namen des Clips nicht mehr erinnern.
Sie selbst krallten sich dabei unterhalb der oberen Bühnenebene an einer Art Käfig fest und schüttelten sich durch, wirkten wie eine Go-Go-Tänzerin.
Man nennt das auch „Jacking“, ein Tanz aus der House-Szene Chicagos, der auf den DJ Frankie Knuckles zurückgeht. Ich tanzte und Prince fragte: „Wow! Was ist das denn?“
Prince stand von seiner Orgel auf, beriet sich mit Wally und Greg, und dann nahm er Sie ins Visier.
Die Szene, in der er zwischen meinen Beinen hindurchrutscht und mir dabei den Rock auszieht, mussten wir immer wieder üben. Das Kleidungsstück musste ich lockern, damit er mit seinen Zähnen daran reißen konnte. Bei den Proben zog ich mir eine Fußverletzung zu. Backstage sah er das Blut und sagte trocken: „Ich dachte, Du hättest vielleicht Deine Periode bekommen.“ Mein Knöchel musste behandelt werden, und das zwei Wochen vor Tourneestart. Ich musste tagelang im Bett bleiben, aber ich nutzte die Zeit, um für Prince jene Jeansjacke zu gestalten, die er in „The Cross“ tragen würde, mit den Applikationen und aufgemaltem Friedenszeichen.
Prince in Jeansjacke – wer hätte das gedacht.
Ich trug damals auch immer Jeans, vielleicht hat ihn das beeinflusst.
Wann haben Sie den Film das letzte Mal gesehen?
Das ist schon einige Zeit her, aber auch für mich war „Hot Thing“ das Highlight.
„Sign O‘ The Times“ zeigte einen weiteren Höhepunkt in Prince‘ Schaffen: „Housequake“.
Ich erkläre Ihnen, wie es zu dem Song kam. Wir befanden uns in Los Angeles, Prince fragte mich, ob ich ihn in einen Club begleiten wolle. Ich sollte ihn am Flughafen treffen, wo er mich mit seiner damaligen Freundin, Susannah Melvoin, abholen wollte. Wir gingen also aus, und als wir am Morgen zurück ins Bellagio-Hotel fuhren, gab es ein Erdbeben. Das Hotel wurde durchgeschüttelt. Prince teilte seinen Bodyguards geistesgegenwärtig mit: „Let’s Go Back To Minneapolis!“ Das war der Ursprung dieses Klassikers. Wenn wir über Songs wie diesen reden, spüre ich seinen Spirit – als wäre er wieder da. Es bringt mich zum Lächeln.
Prince-Bühnen wirkten auch deshalb wie Fantasiewelten, weil darauf zu keiner Zeit jene Dinge zu sehen waren, die Live-Darbietungen als typische Arbeitsprozesse abbildeten: auf den Boden geklebte Setlist-Zettel, Getränkebecher oder Handtücher.
Solche Dinge gab es bei uns nicht, niemals. Er hatte die Setlist im Kopf, und auch wir lernten sie auswendig. Bei der „Lovesexy“-Tournee von 1988 erfolgten Änderungen in der Song-Reihenfolge noch spontaner, wir änderten das Programm oft noch wenige Minuten, bevor es auf die Bühne ging. Prince erkannte außerdem, dass gerade das europäische Publikum seine verschiedenen Schaffensphasen würdigte.
Wie wirkte sich das auf die Konzerte aus?
Wir brachten deshalb bei der „Lovesexy“-Konzertreise viel mehr Songs unter. Nur „Purple Rain“ konnte ich irgendwann einfach nicht mehr hören! Toller Song, aber Prince musste ihn halt immer spielen. Die „Lovesexy“-Tour hatte wirklich alle umgehauen: Prince präsentierte eine einzigartige Sammlung von Songs, dazu auf einer Rundbühne. Stücke, die er danach nie wieder bringen würde: „Dirty Mind“, „Sister“. Diese Tour erinnerte noch mehr an eine Theaterstück, wir hatten eine Schaukel auf der Bühne, einen Basketballkorb. Eine Rundbühne ist eine dramaturgische Herausforderung: Wir mussten gewährleisten, dass jeder im Saal zu jedem Zeitpunkt etwas zu sehen bekommt, auch wenn Prince einem Teil des Publikums gerade den Rücken zudreht.
Sie waren die erste Tänzerin, der Prince gleichberechtigten Platz auf der Bühne einräumte. Wie kam es dazu?
Ich sah ihn zuvor live, wusste also, dass er Tänzer zulässt, wie bei der „Parade“-Tour von 1986. Ich dachte: „Sieht gut aus – aber mal sehen, was er sagt, wenn er erstmal mich in Aktion sieht!“ Ich hatte große Zuversicht.
Dann waren Sie auf dem Cover der Single „Sign O‘ The Times“ zu sehen, Ihr Gesicht verborgen hinter einem riesigen Herz aus Glas. Manche Fans dachten, das sei Prince, der sich da versteckt.
Er bat mich, eine Brille aufzusetzen – mein Gesicht ist auf der Rückseite des Covers zu sehen. Prince‘ Vater sagte: „Ich glaube, mein Sohn hat den Verstand verloren. Bist das wirklich Du, in einem Kleid?“ Die Leute dachten halt, das sei Prince, mit ausgestopftem BH. Nun, ich mag nicht die größte Oberweite haben, aber die Person auf dem Cover, das war dennoch ich.
In jenem Jahr präsentierte Prince auch einen neuen Style: Er trug eine Brille, dazu Kleidung überwiegend in der Farbkombination „Pfirsichfarben und Schwarz“.
Als ich zur Band stieß, hatte er das Konzept mit den Farben bereits entwickelt. Mein pfirsichfarbener Rock auf dem Single-Cover passte dazu. Ich hatte nur eine Bedingung: Zeige auf dem Bild bitte nicht meine Füße. Meine Füße sind nicht so schön. Aber er zeigte sie trotzdem. Und wie anstrengend es war, diesen Glasspiegel in Herzform hochzuhalten! Alle dachten, das Ding sei aus Pappe gewesen. War es aber nicht. Es fühlte sich an, als wöge es 100 Kilogramm! Deshalb erkennt man auf dem Foto meine angespannten Armmuskeln auch so gut. Später wurde das Glas schwarz angemalt.
Warum tat Prince plötzlich so, als sei er Brillenträger?
Er wollte halt einfach mal anders aussehen.
Im heutigen Internet-Zeitalter gibt es von jedem Star permanent neue Fotos. Vom Jahr 1987 aber gelangten zunächst nur wenige Prince-Bilder an die Öffentlichkeit, abgesehen von den Singles- und LP-Motiven. Von den vier „Sign O‘ The Times“-Auskopplungen erhielten nur drei ein Video, und Prince war nur in zwei davon zu sehen.
Der Clip zu „Sign O‘ The Times“ besteht nur aus eingeblendeten Song-Zeilen und Effekten, aber das war eine Verlegenheitslösung. Ursprünglich wollte Prince mit mir zusammen ein Video drehen, also mit uns als Darsteller. Aber ich war an jenem Tag nicht aufzutreiben. Am Ende erwies sich der finale Clip als ideal. Es war ein politischer Song, und die Abbildung des Song-Textes verdeutlichte die Message noch deutlicher. Als er den Kinofilm plante, wusste er bereits, dass keine weiteren Videos mehr gedreht werden müssen – er konnte auf Filmmaterial zurückgreifen. Das Video zu „U Got The Look“ drehten wir in Paris, es wurde in den Konzertfilm eingebaut.
Das darauffolgende „Lovesexy“-Album führte die laxe Haltung zu Videoclips fort: „Alphabet St.“ erhielt ein legendär einfaches, dafür umso charmanteres Homevideo.
Da war ich leider wieder nicht zugegen! Also drehte er die Kurzfassung des Songs, die Single-Version, ohne meinen Rap. Die Beine, die Sie im Video sehen, sind nicht meine, sondern die von Sheila E. Natürlich waren manche etwas aufgeregt: „Warum fehlt der Rap? Wo bleibt der Rap?“ Ich finde, die „Lovesexy“-Platte wird gnadenlos unterschätzt. Sie zählt, wie der „Sign O‘ The Times“-Konzertfilm, zu den unfair behandelten Werken in Prince‘ Schaffen.
Angeblich wollte Prince mit „Sign O‘ The Times“ auch in den USA touren. Darauf deuten Rehearsals in der zweiten Jahreshälfte hin, bei denen Prince und seine Band zusätzliches Album-Material probten.
Er zog eine Amerika-Tour in Erwägung. Klar, er liebte die Vereinigten Staaten, aber er bekam aus Europa eben mehr Zuneigung. Er liebte, liebte, liebte Europa. Dort gab es niemanden, der ihn verurteilte, was in den USA durchaus der Fall sein konnte. Kennen Sie Düsseldorf?
Natürlich!
Dort traf sich Prince mit einer Frau, der damaligen „Prinzessin von Deutschland“.
Gloria von Thurn und Taxis sicherlich – sie galt hierzulande als prominentester Prince-Fan.
Sie fuhr auf einer Harley-Davidson. Sie trug tolle Hüte und eine verrückte Frisur und lebte in einem Schloss. Ich lernte sie kennen, eine unglaublich humorvolle Frau. Sie schenkte mir sogar Schmuck, aber der wurde mir in einem Hotel in Italien wieder gestohlen. Ich dachte, man könnte Schmuck dort einfach herumliegen lassen. Auf jeden Fall schenkte sie mir danach ein neues Stück. Sie war mit Prince sehr gut befreundet, vielleicht absolvierten wir für sie sogar ein Aftershow-Konzert, ich bin mir nicht sicher.
„Ich besuchte also mal das Sex-Museum. Holy Shit!“
Die Ära 1987 bis 1988 gilt als jene mit den besten Aftershows.
Ja, aber wir wurden dafür nicht bezahlt! Wir hatten das halt zu absolvieren (lacht). „Hey, geh unter die Dusche, pack die Tasche! Heute steht noch ein zweites Konzert an!“ Bis vier Uhr morgens. In Rotterdam war es toll. Das Rotlicht-Viertel sah anders aus als alles, was ich bisher gesehen hatte. Prince sagte: „Siehst Du Cat, das hier ist die andere Seite des Universums.“ Ich hatte ja keine Ahnung, was es dort in Holland zu sehen geben würde. Ich besuchte also mal das Sex-Museum. Holy Shit!
Glauben Sie, dass die Aftershows jemals veröffentlicht werden?
Aufnahmen davon liegen sicher im „Vault“. Prince ließ jeden Auftritt mitschneiden, wirklich: Er ließ jede Sekunde mitschneiden, sobald es auf die Bühne ging. Jedes Land, jeder Staat, jede Stadt: Welcher Ton wo immer gespielt wurde – Prince ließ es aufzeichnen. Dafür wurde doch die riesige „Schatzkammer“ angelegt. Sie haben noch nie Footage des japanischen „Lovesexy“-Tour-Abschnitts gesehen? Das gibt es ganz sicher im „Vault“.
Was empfinden Sie bei dem Gedanken, dass auch Ihre Arbeiten dort lagern – ohne dass Sie abschätzen können, ob das Live-Material jemals veröffentlicht wird?
Ja, diese Aufnahmen dokumentieren eben auch meine Arbeit. Und natürlich würde ich sie gerne sehen. Prince war schon zu Lebzeiten eine Legende, und ich arbeitete mir gerne für ihn den Arsch ab. Die Gabe, die Gott mir gab, habe ich in die Arbeit für Prince investiert. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Footage noch von „Sign O‘ The Times“ existiert. Hey, ROLLING STONE, sobald ihr erfahrt, dass das Material das Licht der Öffentlichkeit erblickt, sagt ihr bitte Bescheid. Prince und ich haben ja eine spezielle Erfahrung mit dem ROLLING STONE gemacht, dem amerikanischen.
Welche denn?
Ihre Kollegen waren bei einem Prince-Konzert dieser Zeit. Während „Kiss“ versuchte Prince meinen BH zu öffnen, und es ist ihm einfach nicht gelungen. Er machte ein dementsprechendes Gesicht. Der ROLLING STONE schoss davon ein Foto, das im Heft landete. Damit zog ich ihn auf: „Wir sind im ROLLING STONE – mit einem Bild, das zeigt, wie Dir etwas nicht gelingt.“ Im späteren Song „Positivity“ rappt Prince am Ende, es gibt im Lied einen Namecheck verschiedener Magazine, und darin kommt dann auch der ROLLING STONE vor. Diesen Rap habe ich geschrieben.
Man kann es sich kaum vorstellen, aber erst 1988 war das Jahr, in dem Michael Jackson und Prince parallel durch Europa tourten. Jackson mit „Bad“, Prince mit „Lovesexy“. Wie nahmen Sie die Situation wahr?
Es herrschte keine Anspannung. Prince hatte nichts zu beweisen, im Gegenteil, die Band spielte ja Michaels „The Way You Make Me Feel“ sogar live als Medley.
Amerika kam dennoch, zumindest ein bisschen, in den Genuss von „Sign O‘ The Times“. Der Titelsong und „Play In The Sunshine“ wurden im September 1987 bei den MTV Video Music Awards aufgeführt.
Dies war mein erster Live-Auftritt vor einem immens großen Fernsehpublikum. Der Kameramann hielt die ganze Zeit auf meinen Hintern drauf, das gefiel mir überhaupt nicht.
Und bei einem Konzert im Paisley Park im März, also kurz vor der Tour, hatte Prince Sie erstmals als Mitglied seiner neuen Live-Formation vorgestellt, die The Revolution ablöste und später von Fans „Lovesexy Band“ getauft wurde.
Ich war sehr aufgeregt. Ich stand mit Leuten auf der Bühne, die er seit Jahren kannte, Dr. Fink oder Sheila E. Echte Originale. Und da war ich nun, ein kleines schwarzes Mädchen aus Chicago. Ein Newbie! Aber Prince nahm mir die Anspannung. Und ich wusste, was ich draufhatte. Ich war Choreografin und Sängerin und Tänzerin. Ich trug mit dazu bei, diesen großen Songs durch meine Bewegungen Leben einzuhauchen. Seit ich fünf war, nahm ich in Chicago bei Talentwettbewerben teil. Prince konnte mir vertrauen.
Woran bemerkten Sie das?
Zum Beispiel im späteren „Glam Slam“-Video. Darin tanzen wir auf der Bühne, und seine Augen waren verbunden. Das war aber keine Schauspielerei – seine Augen waren wirklich verbunden. Er wusste, wo ich stand, wo er selbst stand. Aber Prince konnte mich auch buchstäblich gut riechen, er ortete mich durch den Duft meines Parfüms, „Pheromone“, er benutzte es auch.
Wie kann man sich die Herangehensweise an Ihre Konzert-Choreografien vorstellen?
Zuerst kam die Musik. Ich lernte die Stücke kennen, und ich musste alle Texte lernen. Nicht nur die, in denen Prince Haupt-Vokalist ist, sondern auch die der Stimmen im Background, oder etwa den Rap von Sheila E. „Sign O‘ The Times“ war ja nicht als Doppel-LP, sondern gar als Dreifach-LP geplant. Das entsprach einer Menge Material, das mir zugeteilt wurde. Ich erinnere mich gerne an Susannah Melvoins Part in „Play In The Sunshine“ (singt): „We are not afraid to / We are going to …“, ich sang es gerne mit, Prince musste lachen, weil er ja bestimmte Passagen nur von bestimmten Sängerinnen hören wollte. Die Proben fanden in seinem „Warehouse“ statt, nicht im Paisley Park. Der wurde damals noch nicht eröffnet. Nach der „Sign O‘ The Times“-Tour war der Park fertig, die Pforten gingen auf, und wir fühlten uns wie auf einem Spielplatz.
Gab es Tanzbewegungen, die Sie vollführen konnten – Prince aber nicht?
Den „Cat Skat“. Meine eigene Erfindung.
Wie sieht der aus?
Mein ganzer Körper vibriert dabei. Den „Cat Skat“ führte ich erstmals, vor meiner Zeit mit Prince, in der „Star Search“-Show vor, einer Talentsendung im Fernsehen. Beyoncé Knowles und Paula Abdul haben ihn danach adaptiert, und sie stehen auch dazu. Sie sehen den „Cat Skat“ in „U Got The Look“ oder in „It’s Gonna Be A Beautiful Night“, wo diese Energie dazu führt, dass all die Jungs in der Band umkippen. Ich habe zuvor die Wirkung des Tanzes in einem Club in Minneapolis, ich glaube es war das Fine Line Cafe, demonstrieren können. Dort tanzte eine Rivalin vor mir, ich machte den „Cat Skat“, und sie fiel auf dem Dancefloor um. Prince war beeindruckt und beschloss, diese Bewegungen in den Konzertfilm einzubauen.
Das Video von „U Got The Look“ zeigt, wie sich alle Bandmitglieder vor dem Konzert an den Händen fassen und beten. Fand das so wirklich vor jedem Auftritt statt?
Vor jedem Auftritt, bei jeder Tour. Es war ein wichtiges Ritual, hinter dem wir alle standen. Und es konnte ja auch so viel passieren auf der Bühne – wie eben bei den Proben, als ich meinen Knöchel verletzte, oder als die Stürme in jenem Jahr über Europa zogen.
Warum sprach Prince sein Publikum mit „Uptown“ an?
In Minneapolis ging er immer nach Uptown, um dort zu feiern. Er sang früher ja auch „Uptown, It’s Where I Wanna Be“. 1980 waren dort all die Punk-Rocker, die New-Wave-Chicks.
Zum Ende des Jahres 1987 plante Prince die Veröffentlichung des „Black Album“ – und zog es in letzter Sekunde zurück.
Bei den Aufnahmen waren oft nur er, Sheila E. und ich zugegen. „Le Grind“ und „Cindy C.“ nahmen Gestalt an. Ich war da noch neu im Studio und vielleicht seit zwei Wochen erst in Minneapolis. Auf „Cindy C.“ rappte ich, aber die Platte wurde ja nicht veröffentlicht. Dann wurde der Rap für „Positivity“ auf dem „Lovesexy“-Album eingeplant, aber auch der wurde später herausgeschnitten. Mein erster veröffentlichter Rap erschien auf „Alphabet St.“. Ich hörte diesen einzigartigen Rhythmus und fing an zu tanzen. Prince sah das und sagte: „Cat. Du musst darauf rappen, unbedingt.“ Er wusste, dass meine Lieblings-Rapperinnen Salt ’n’ Pepa waren, und er wusste auch, wie man mich motivieren konnte. Prince sagte: „Ich lasse Dich jetzt mal alleine – aber wenn ich zurück bin, höre ich mir Deine Arbeit mal an, und ich hoffe, sie ist gut. So gut, dass sie Salt’n‘ Pepa mögen würde.“
Woher rührte seine Faszination für den „Crystal Ball“ – nicht nur besungen, sondern auch im Film vorgeführt: Diese Blitze verschießende Plasmakugel, das 80er-Gadget?
Wir haben nicht darüber gesprochen, aber ich denke, er liebte das Magische daran. Auch in den Zimmern seines Hauses hatte er Plasmakugeln, dazu Einhorn-Puppen. Sein Schlafzimmer sah aus wie eine Fantasy-Welt.
Im Film wird außerdem der „Oh – Wee – oh“-Chor aus dem „Zauberer von Oz“ angestimmt. Liebte er Märchen?
Ich erinnere mich daran, dass ich ihm eines Abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen sollte, damit er einschlafen kann. Na, welche war es wohl? „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Daraus habe ich ihm so lange vorgelesen, bis er einschlief. Und sogar im Schlaf sah er aus wie ein Prinz. Ich dachte nur: Das gibt’s doch nicht! Ich meine, wenn ich schlafe, dann schnarche ich auch, und wie. Oh Mann, zum Haare raufen (lacht). Er sah auch immer perfekt aus. Und: Nicht eine Sekunde lang konnte er unangenehm riechen. Sogar sein Studio roch gut, er stellte Duftkerzen auf. Es wird nie wieder jemanden geben wie ihn.
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