Preis für Popkultur: Lässiger war’s nie
2018 wurde der Preis für Popkultur in deutlich kleinerem Rahmen vergeben, aber alle waren sich erstaunlich einig: Die Reduzierung der Veranstaltung kam gut an. Gewinner des Abends wurde Trettmann mit drei Auszeichnungen.
Rot war die Trendfarbe des Abends. Das kann man alarmig finden angesichts des Zustandes der Musikbranche, oder bloß auffällig. Daniel Koch, ehemals Chefredakteur der vor kurzem eingestellten „Intro“, sang in seiner Laudatio einen angemessenen Musikjournalismus-Blues, den Preis in der entsprechenden Kategorie gewann dann auch ein Film (die Doku von Charly Hübner über Feine Sahne Fischfilet). Koch trug übrigens kein Rot, aber Rapperin Hayiti trat in rotem Bleistiftrock und Reeperbahn-Lackstiefeln auf, Kat Frankie in einem roten Anzug. Die Songwriterin mit der tief modulierenden Stimme gewann später als „Lieblings-Solokünstlerin“ und freute sich sichtlich.
Der „Echo“ ist weg, der „Preis für Popkultur“ lebt, wenn auch in abgespeckter Sparversion. Die knapp und intim gehaltene Gala im zurechtgeschrumpften Tempodrom kam mit kleinen Mitteln aus, mit einer das Programm strukturierenden Schlagzeugerin und A-Capella-Gesang. Laing können das, und Trettmann braucht auch nicht mehr als ein Mikro. Der Sänger aus Chemnitz war am Ende der Gewinner des Abends, räumte in drei Kategorien ab (Solokünstler, Album und Lieblingslied). Wie auch die Beatsteaks (Video, Live-Performance und notorische Lieblingsband). So weit, so erwartbar. Eine erfreuliche Überraschung war allerdings Sam Vance-Law als „Hoffnungsvollster Newcomer“.
Die Jury, die den vor drei Jahren ins Leben gerufenen „Preis für Popkultur“ zum dritten Mal vergab, besteht inzwischen aus 850 Mitgliedern, von denen aber wohl nicht mal jeder Zweite abgestimmt hat. Der Trend zur Wahlmüdigkeit verhält sich hier umgekehrt proportional zu den bayrischen Landtagswahlen. Wenngleich beim gut zwischen zwei Kategorien platzierten und auf elegante Weise kurz gehaltenen Pop-und-Politik-Talk das große Bierholen losging.
Doch wer die Talkrunde auf der Gala-Bühne als Pausenzeichen verstand, verpasste den schärfsten Moment des Abends: einen Aufruf zur Solidarität mit Feine Sahne Fischfilet, deren Auftritt am Bauhaus Dessau vom dortigen Stiftungsvorsitzenden Rainer Roba, der gleichzeitig sachsen-anhaltinischer CDU-Kultusminister ist, just an jenem Tag abgesagt worden war. Mit der Begründung, die explizit linke Band ziehe rechte Protestler an. Ein Irrsinn.
FSF-Sänger Monchi stand später aber gut gelaunt auf der After-Show-Party beim Bier, Casper ein paar Meter weiter, Kraftklub-Sänger Felix Brummer auch, man kennt und schätzt sich, es gab Cheeseburger und Currywurst, der Champagner war sehr schnell leer und das Gedränge groß. In einem schienen sich alle erstaunlich einig: Die Reduzierung der Veranstaltung auf Kleinformat kam gut an. Lässiger war’s nie.
Die Gewinnerinnen und Gewinner
- Lieblings-Solokünstlerin: Kat Frankie
- Lieblings-Solokünstler: Trettmann
- Lieblingsband: Beatsteaks
- Lieblingsproduzent: DJ Koze
- Lieblingsalbum: Trettmann (»#DIY«)
- Lieblingslied: Trettmann (»Grauer Beton«)
- Lieblingsvideo: Beatsteaks vs. Deichkind (»L auf der Stirn«)
- Beeindruckendste Live-Performance: Beatsteaks & Gäste (Die Ärzte, Deichkind, Tocotronic / Waldbühne)
- Hoffnungsvollster Newcomer: Sam Vance-Law
- Schönste Geschichte: Charly Hübner, Sebastian Schultz (»Feine Sahne Fischfilet Film«)
- Spannendste Idee/Kampagne: Kraftklub & Donots (»Clubtausch in Köln während des Konzerts«)
- Gelebte Popkultur: „Jamel Rockt den Förster“ (Birgit & Horst Lohmeyer)
- Lifetime Achievement: Rolf Budde