Porträt des Clubmusik-Fans als junger Mann: Mike Skinner alias THE STREETS spricht Sozialtableaus
Ein Sprichwort: Die drei langweiligsten Silben der englischen Sprache sind Bir, ming und ham. Der 23-jährige Mike Skinner, der sich The Streets nennt, hat nun eine Platte gemacht, auf der er eine Dreiviertelstunde lang fast ununterbrochen in der folglich langweiligsten Mundart Großbritanniens redet und in regional gefärbtem Sprachfluss rappt, sehr weiß, sehr working class. „Original Pirate Material“ ist in England die Platte der Saison.
Der Künstler ist sich nicht sicher: „Es könnte daran liegen, dass ich nicht versuche, funkensprühend und aufregend zu sein.“ Goldig. Ein möglicher Grund ist auch, dass Skinner sich nur in der Privatsprache richtig traut, Banalitäten zu erzählen. Geschichten über ereignislose Ausgehnächte, besoffenes Körperbrummen, Playstation-Sucht und missglückte Baggereien hören Clubmusik-Fans gern (weil ihr Leben so ist), aber selten. UK Garage, die aus Drum’n’Bass und R&B generierte Richtung, die in England ein movement ist, handelt von anderen Sachen. „Garage wird in London gemacht, und deshalb geht es um Champagner und guns“, erklärt Skinner, „in Birmingham haben wir auch viel Garage gehört, aber diese Dinge… die tut man dort einfach nicht. Ich mache die Musik ohne den Champagner.“
Keiner ist freiwillig langweilig. Bis vor zwei Jahren hat Mike Skinner höchst bemüht in amerikanischem Akzent gerappt, schon als Siebenjähriger, als er mit zwei Rekordern das Intro eines Run DMC-Stückes zur Endlosschleife kopierte. „Ab 15 hatte ich eine Karriere im Auge“, Dr. Dre aus der Vorstadt von Birmingham, erfolgsfrei, finanziert durch Burger-Jobs. Als er mit dem Streets-Garage-Sound anfing, lief ihm seine Rap-Crew weg: „Die Musik war ihnen zu langsam.“ Seit zwei Jahren wohnt Skinner (unvermeidlich) in Brixton, als Großstadtmensch erscheint er noch immer nicht. Naja, die Kebap-Shops haben hier länger offen. Mit Pillen hat er es eh nicht so, mehr mit Brandy und Joints.
Neulich war er mit Freund Calvin im Kino, sie haben viel Rum getrunken, sind dann in Skinners Heimstudio gestolpert und haben ein punkiges Hip-Hop-2Step-Stück gesungen, darüber, dass man sich vor Mädchen nicht zum Affen machen soll. In letzter Minute kam es auf das Album: Nicht mal diese Schnaps-Produktion ist albern geraten. Der Bubi hat ein Talent, das ihm auch der Alkohol nicht aus dem Kopf schlägt.