Pop-Agitprop
Die Lesereise zum Hören: EBERMANN &TRAMPERT
Ein zweistündiges Live-Doppelalbum mit gutem alten linken Agitprop. „Verpasst Deutschland den Anschluss“ (Brotsuppe Verlag, ISBN 3-935240-00-7) ist theoretisch-marxistisch gut abgehangen und fundiert, aber so poliert und in süHig-satirische Form gebracht, dass man auch ohne stupende Theoriekenntnis eigentlich ganz gut mitkommt. Zunächst einmal knöpft man sich den Motivationstrainer Jürgen Höller vor, der mit Sprüchen wie „Erfolg ist ein Naturgesetz“ zum Bestseller-Autor des Neoliberalismus avancierte und der sich bei genauerem Hinsehen – und E & T sehen genau hin und lassen ausgiebig die Quellen sprechen – als asozialer Reaktionär entpuppt. Er rät, sich von befreundeten Grüblern und Bedenkenträgern zu trennen und brilliert mit Statements wie: „Wer arbeitslos ist, der hat es sich vielleicht über Jahre hinweg redlich verdient.“ Der um seinen Rüstungsetat kämpfende Scharping wird vorgeführt, dessen größte Sorge es zu scheint, Deutschland „militärisch nicht auf das Niveau von Dänemark rutschen“ zu lassen. Der philosophische Stichwortgeber und Apologet einer neuen, eben genetischen Zuchtwahl, Peter Sloterdijk, wird gebrandmarkt als einer, der die „grausamen Verhältnisse“ der Zukunft schon mal antizipiert und „rechtzeitig dabei sein will“. Der Atomausstieg wird lächerlich gemacht, das vermaledeite Opferlamento der Deutschen bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit seziert und die neue Esoterik-Welle mit schönen Beispielen als spirituelle Legitimation des Sozialdarwinismus entlarvt. Kurzum: Wer geglaubt hat, linke Kulturkritik sei obsolet, kann sich mit diesem kurzweiligen Programm eines Besseren belehren lassen.