Poesie aus der Gosse
Im Stil von Scott Walker intoniert Richard Hawley Songs voll schwarzer Romantik.
Sollte je ein Regisseur auf die Idee kommen, Richard Hawleys neues Album zu verfilmen, wäre „Truelove’s Gutter“ eine langsame, düstere Erzählung in körnigem Schwarzweiß. Ein Film noir, verführerisch schön und zerstörerisch zugleich. „Es ist wie eine Waldwiese. Aus der Weite sieht sie herrlich aus, doch je genauer man hinschaut, desto mehr krabbelnde Insekten sieht man, die sich gegenseitig auffressen“, reflektiert Hawley sein Traumprojekt. Im letzten Jahr traf er Mute-Chef Daniel Miller, sie kochten, hörten Musik und redeten über die Zukunft. Miller fragte: „Ist da eine Platte in dir, die nicht unbedingt kommerziell ist?“ – „Wie viele willst du?“ gab Hawley begeistert zurück. Die Idee für ein Album mit wenigen langen Songs, auf dem er viel mit dem Sound experimentieren würde, schwebte ihm schon lange vor.
„Es ist das erstes Album, das ich als Ganzes konzipiert habe. Es sollte eine Stimmung durch sämtliche Songs fließen“, erklärt der 42-jährige Songwriter und Gitarrist. Dafür musste er sich erst einmal mentalen Freiraum schaffen. Für jemanden, der seit seinem 14.
Lebensjahr in Bands spielt und dessen Leben sich trotz Ehe und drei Kindern zwischen Aufnahmestudio und Auftritten abspielte, keine einfache Angelegenheit. „Ich setzte mir deshalb einige Regeln: kein Fernsehen, keine Zeitungen, kein Internet, kein Handy“, beschreibt Hawley seine Methode. Er stand früh auf, ging mit dem Hund in den Wald und war entspannt und dabei ungewöhnlich konzentriert. Erstmals in seinem Leben hatte Richard Willis Hawley so etwas wie Zeit.
In den Sheffielder „Yellow Arch Studios“ schrieb er Texte über unstetes Leben und den Reiz der Selbstzerstörung. Epische Hymnen und geschmeidige Pop-Symphonien, die gelegentlich an Etüden von Lee Hazlewood oder Scott Walker erinnern. Dafür suchte er nach seltenen Klängen und fand sie in kuriosen Instrumenten wie dem Waterphone, der singenden Säge, der Glasharmonika und dem Cristal Baschet, „einem Instrument aus den 192Oern, das aussieht wie ein seltsames Schiff und ein tiefes bedrohliches Brummen erzeugt“.
Natürlich verweist „Truelove’s Gutter“, wie alle Titel seiner Soloalben, auf die Geschichte seines geliebten Sheffield. Im 17- Jahrhundert war es eine kleine Gasse, in der Thomas Truelove einen schäbigen Pub und eine öffentliche Kloake betrieb. „Die Trueloves waren ein angesehener Clan, Thomas war das schwarze Schaf. Trotzdem benannten sie jene Straße nach ihm.“