Plattenschrank to go

ES IST DIE ALLIANZ des Jahres: Kabellose Lautsprechersysteme und Streaming-Dienste revolutionieren das Musikhören. In kaum einem anderen Segment der Unterhaltungstechnologie, über das wir 2013 berichtet haben, herrschen so viel Veränderungsgeist – und solche Zuwachsraten. Der US-Branchenpionier Jawbone etwa präsentierte jüngst seine Mini Jambox, die locker in eine Jackentasche passt. Verknüpft via Smartphone, lassen sich Spotify und Konsorten bei jeder Gelegenheit in meist erstaunlich guter Soundqualität hören.

Vor allem Sonos hat sich komplett auf die veränderten Konsumgewohnheiten eingestellt. Dazu hat der Boxenbauer das „Sonos Studio“ erfunden, in dem Indie- und Elektro-Acts auftreten – während nebenbei der neue Mobilklang mit verkauft wird. Sonos-Geschäftsführer Tom Cullen fühlt sich im gediegenen Ambiente des Studios am Rande Hamburgs sichtlich wohl. Keine Platten, keine CDs, nicht mal irgendwelche Dateien. Hier wird ein Tablet-Computer herumgereicht, ein Klick – und schon wummert Metallica durch alle Zimmer. Es laufen Pink Floyd, die White Stripes, dann ein Oldie, der gerade im Programm einer Radiostation im kalifornischen Santa Barbara läuft, wo auch die Unternehmenszentrale von Sonos ihren Sitz hat. Seit 2002 vertreibt das Unternehmen Lautsprecher, die mit zugehöriger App direkt auf eine virtuelle Musikbibliothek zugreifen und Tonträger damit überflüssig machen. Geladen werden die Songs per Stream von Anbietern wie Spotify, Napster, YouTube aus Internetradios oder sie speisen sich aus dem, was die persönliche MP3-Bibliothek des jeweiligen Benutzers hergibt. Von Tablets, Rechnern oder Handys können Nutzer direkt auf die Lautsprecher zugreifen – das Zeitalter der You-Tube-DJs erfährt eine neue Dimension, Platten packt man hier weder aus noch an.

Eine „Investition in die Zukunft“ sei die Entwicklung seiner Marke gewesen, sagt Sonos-Chef Cullen – und das Ende herkömmlicher Tonträger: „Ich konnte endlich meine Platten und CDs abschaffen und glaub mir“ – er tritt nahe an mein Ohr – „ich habe eine Menge schlechter CDs in meinem Leben gekauft!“ Vielen Musikliebhabern wird bei der Vorstellung, „endlich“ alle Platten abschaffen zu können, das Herz bluten – doch Cullens Philosophie ist einfach: „Du kommst nach Hause und hörst Musik. Was und wann du möchtest, unabhängig davon, ob du auch die richtigen Scheiben im Schrank hast.“

Und tatsächlich: Dass Streaming-Dienste die Stücke nur virtuell und für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stellen, scheint für immer mehr Hörer eine untergeordnete Rolle zu spielen, Verfügbarkeit ist wichtiger. Der Kunde braucht bloß ein Smartphone und einen kleinen Lautsprecher, eine dieser meist bunten Fun-Boxen – und er kann die endlosen Gigabytes einsammeln, die im Raum schweben und auf Zugriff warten. Zwischenzeitlich hatte sich Cullen Sorgen gemacht, weil sich der Streaming-Markt für seinen Geschmack nicht schnell genug entwickelte. Heute gibt die Musikindustrie Unternehmen wie Sonos recht – auch im verglichen mit Skandinavien oder den USA „zurückhaltenden“ Deutschland steigerten Song-Downloads und Streaming ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 40 Prozent.

Sonos geht nun einen Schritt weiter. Der Boxenhersteller verpflichtet Musiker, die das System bekannter machen sollen – und drängt so in einen Bereich, den früher ausschließlich Labels innehatten. Jack Johnsons Album „From Here To Now To You“ etwa konnten Fans in den USA bereits vor der Veröffentlichung als Tonträger exklusiv auf Sonos-Geräten hören. Gut vorstellbar, dass Alben oder ganze Streaming-Dienste demnächst nur noch in Verknüpfung mit Hardware-Anbietern auf den Markt kommen.

Der Geschäftsmann und Produkteplatzierer Jay Z ist ebenfalls eingefangen. In „Somwhereinamerica“ erfahren wir, dass in seinem „weißen Lexus“ vor allem „Frank Sinatra auf dem Sonos“ läuft. Wer an Vinyl oder CD hängt, muss dennoch nicht in Panik geraten – ganz so radikal wie von Tom Cullen erträumt, findet der Wechsel ins Digitale nicht mal in Kalifornien statt. Und: Zumindest einige der angebotenen Komponenten lassen sich nach wie vor an einen Plattenspieler anschließen.

PRODUKTCHECK

KLANG LIEGT IN DER LUFT

So schnell kann’s gehen: Der Markt der Wireless Lautsprecher hat sich mittlerweile ausdifferenziert in komplexere Raumsysteme und solide Einzelkönner, die jeden Spaß mitmachen. Kompakte Fun-Boxen mit Akkubetrieb erlauben eine fast uneingeschränkte Sound-Mobilität. Dabei spielen gerade im nicht-stationären Bereich die Angebote der Streaming-Dienste eine immer größere Rolle. Selbst im Schwimmbad lässt sich per Smartphone ein riesiger Musikkatalog ansteuern. Und auf so mancher Wohnungsparty kommt es heute zum Streit der Auskenner, welcher mobile Musikkatalog nun zum Einsatz kommt.

SONOS Play:1

Kompaktes Einsteigermodell für die Wohnung, 16 cm hoch, 12 cm breit, Zugriff über Sonos-Kontroller-App, ab 199 Euro

LIBRATONE ZIPP

Dänisches Design mit Trageschlaufe und farbigem Filzbezug, FullRoom-Akustiktechnologie, Airplay-System zum einfachen Streaming auf iOS-Geräten, ab 399 Euro

MINI JAMBOX

Für daheim und unterwegs. Aluminium-Gehäuse, gerade mal 15 cm breit. Der Akku reicht für 10 Stunden Wiedergabe. App-Zugriff auf Musikdateien und Streaming-Dienste, ab 179 Euro

JBL SPARK

Kleiner Spezialist, geformt wie ein Megafon, bestens geeignet zur Beschallung kleinerer Räume, Zugriff via Bluetooth, ab 129 Euro

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