Platten und Streams
Die Musikindustrie erklärt die Talfahrt für beendet – das Geschäft wird digitaler und immer komplexer
Seit einem geschlagenen Jahrzehnt sorgt die Musikbranche nun für Gruselnachrichten. Auch Ende 2012 wird weiter abgebaut und optimiert. Die zähe Übernahme von EMI Music durch Universal Music zeugt davon; auch wenn nach offizieller Lesart die Talsohle durchschritten ist. Das beschwört zumindest der Vorstandschef des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) Dieter Gorny. CD-Verkauf und die digitalen Vertriebsformen hätten sich stabilisiert. Im vergangenen Jahr setzte die geschrumpfte Branche rund 1,67 Milliarden Euro um. Eine Pi-mal-Daumen-Zahl (ohne Importe und Indie-Shops), die sich aus dem klassischen Tonträgergeschäft und wachsenden digitalen Umsätzen zusammensetzt. „Deutschland liebt die CD“, kommentiert BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke die Bilanz. Zwar sind die Umsätze mit physischen Tonträgern seit 2010 (-1,7 %) um weitere -3,8 % gesunken. Die CD bleibt aber mit rund 72 %Marktanteil die wichtigste und tragende Säule. Und: Vinyl hatte in den vergangenen Jahren ein kleines Comeback in Deutschland. Im Jahr 2011 stiegen die LP-Verkäufe um satte 15,6 %.
Vor allem Musik aus dem Netz erbrachte der Branche erfreuliche Zahlen. Die digitalen Formate erreichten ein Plus von 21 % und setzten 247 Millionen Euro aus Einzeldownloads, Bundles und Online-Alben um. Zudem wachsen die immer präsenteren Streaming-Dienste. Selbst Computerhersteller wie Hewlett Packard (hp) wollen seit Herbst 2012 ihr Stück vom Streaming-Kuchen. 18 % der täglichen Musiknutzung verläuft über solche Dienste und 22 weitere Prozent der Nutzer können sich künftig ein Musikabonnement auch für sich vorstellen. 2011 wurden damit hierzulande rund 26 Millionen Euro verdient. Dumm nur für Branche und Künstlerinnen, dass die Spotifys dieser Welt bislang dem Verbraucher und weniger den Produzenten nutzen. Diese verdienen minimale Sümmchen an solch einer Nutzung. Ein Künstler erhält von den Streamingdiensten noch weniger als etwa vom Download eines Songs auf iTunes – und selbst dort sind es läppische 0,153 Cent von einem Titel, der 99 Cent gekostet hat.
Kein Wunder also, dass alle auf das immer härter umkämpfte Live-Geschäft und die Tantiemen der GEMA starren, die wiederum so umstritten ist wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Das seit Jahren vorhergesagte Ende der Tonträger verzögert sich noch. Laut Statistik der Phono-Industrie gibt die Musikindustrie weltweit rund 3,5 Milliarden Euro für die Suche, Entwicklung und Vermarktung neuer Künstler aus.
Streaming ist die Hoffung der Industrie
JUKE
Individualisten ohne Facebook & Co.: 18 Millionen Songs, 7 Tage kostenlos, dannach 9,99 E monatlich
DEEZER
20 Millionen Songs, kostenlose Nutzung eingeschränkt möglich. Ansonsten 4,99 E monatlich
SIMFY
20 Millionen Songs, 30 Tage kostenlos, danach 4,99 E monatlich. Ohne Werbung!
NAPSTER
15 Millionen Songs, 30 Tage kostenlos, danach 7,95 E monatlich. Gut sortiert, einfache Bedienung
RHAPSODY
US-Version: Rund 12 Millionen Songs, 14 Tage kostenlos danach 9,99 $ monatlich. Zusatzmaterial und Interviews
SPOTIFY
Europas Marktführer. 16 Millionen Songs, 6 Monate kostenlos, danach 4,99 E monatlich. Leider nur über Facebook nutzbar
Rdio
Von den Skype-Machern: 18 Millionen Songs, werbefrei, 7 Tage kostenlos, danach 4,99 E monatlich
RARA
10 Millionen Songs, die ersten 3 Monate nur 99 Cent, danach 4,99 E monatlich. Playlists teilbar!
HP Connected Music
Noch recht neu: Hier findet man ausschließlich Songs des Labels Universal und davon bislang 500.000. 90 Tage kostenlos
Digital Holt auf, vinyl wächst in der nischE
70
legale Digital-Musikdienste stehen in Deutschland aktuell zur Verfügung
19,3 %
beträgt der Umsatzanteil der Downloads am Gesamtmarkt
700.000
Vinylplatten wurden 2011 laut Verband verkauft. Die wahren Zahlen liegen höher
Deutschland Liebt die Cd
72 %
beträgt auch 2012 der Marktanteil der CD am Gesamtumsatz
32 %
Der Umsatz mit sog. à la carte Downloads & Realtones steigt 2012.
2 %
Die Umsätze aus den Streaming-Services sind gering, aber steigend
EIn bild mit Licht und Schatten
1,67 Mrd. Euro
ist der Gesamtumsatz der deutschen Musikbranche 2011
40 %
beträgt die Steigerung der Umsätze mit Musikstreamings im ersten Halbjahr 2012
-5,4 %
Die Tonträgerverkäufe sind im ersten Halbjahr 2012 weiter gesunken
GespensterDebatte Über Die Digitale Zukunft
Dr. Florian Drücke
„Illegale Bezugsquellen im Internet sind das größte Hindernis für nachhaltiges Wachstum der Musikbranche.“
Kim Dotcom
„We promise. We deliver. Bigger. Better. Faster. Stronger. Safer.“ (Slogan seines neuen Projektes „Mega“)
Dr. Mercedes Bunz
„Deutschland hat international bei der Digitalisierung eine wichtige Rolle gefunden – als Privatsphärenmahner.“
Dieter Gorny
„Unser Ziel ist es, die Internet-Piraterie auf ein tolerables Maß zu reduzieren.“
Rekorde, Follower & Likes
Erfolgreichstes Album international 2012: Adele „21“, verkaufte 22 Mio. Einheiten
Erfolgreichste Single international 2012: Gotye „Somebody That I Used To Know“
Erfolgreichste Alben in Deutschland: Die Toten Hosen „Ballast der Republik“ und Unheilig „Lichter der Stadt“
Erfolgreichstes Album aller Zeiten: Michael Jackson „Thriller“, 108 Mio. Einheiten
Erfolgreichster Download-Song: Black Eyed Peas „I Gotta Feeling“, 7 Mio. Mal
Die meisten Facebook-Freunde: Rihanna – 63, 3 Mio. Eminem – 63, 2 Mio.
Die meisten Twitter-Follower: Lady Gaga, 20 Mio.