Plattenumsätze und Einschaltquoten von Comedy bröckeln. Das Publikum, mit Gags gemästet worden, scheint übersättigt zu sein
Neulich auf SAT1PRO7ARDRTLZDF, was haben wir wieder gelacht: „Mein Großvater ernährt sich sehr einseitig. – Ach. er lebt NZDF, was haben wir wieder gelacht: „Mein Großvater ernährt sich sehr einseitig. – Ach, er lebt im Heim? – Nein, er hat nur einen Arm.“ Witzischkeit, das wissen wir ja nicht nur von Hape Kerkeling, kennt keine Grenzen. Das gilt erst recht, seitdem sich mit gespielten Witzen – neudeutsch: „Comedy“ – riesige Konzerthallen füllen, TV-Quoten hochtreiben und hunderttausende Platten verkaufen lassen. Oder ließen – langsam scheint Schluß mit lustig zu sein. Denn den Machern des „Comedy-Booms“ bleibt mittlerweile das Lachen im Halse stecken: Nur wenige Stars wie Rüdiger Hoffinann oder Michael Mittermeier füllen auf ihren Tourneen noch die großen Säle, die TV-Quoten der einschlägigen Spaß-Formate stürzen ungebremst in den Kellet; und auch in den Charts sind mit wenigen Ausnahmen kaum mehr Comedy-CDs zu finden.
Der Grund für diese neue deutsche Unlustigkeit liegt in der grassierenden Humor-Inflation: Immer mehr Komödilletanten klopfen in immer mehr Shows immer unterirdischere Witze platt Ein Overkill ähnlich wie seinerzeit bei der Neuen Deutschen Welle: Auch Comedy fing hierzulande anarchistisch und aberwitzig mit Könnern wie Kerkeling, Helge Schneider und den frühen Boning/Dittrich vielversprechend an, wurde jedoch ratzfatz von der Verwertungsmaschine der Entertainment-Industrie mit viel heißer Luft aufgeblasen. Luft, die inzwischen überall raus ist Die Einschalt-Quoten der wichtigsten Comedy-Shows kollabieren: „Die Wochenshow“ von SAT.l, in der Anke Engelke einst vor sechs Millionen Fans humorisierte, verlor in den letzten vier Monaten rund U5 Millionen Zuschauer. Die magische Sieben („7 Tage – 7 Köpfe“, 7 Mio. Zuschauer) halbierte die Quote, RTLs „Samstag Nacht“ flog bereits ganz aus dem Programm.
Prominentestes Opfer ist Wigald Boning. Im Affensakko hatte er lange die Lizenz zum Blödem, im Doofen-Duo ohne Deo („Mief) dann die Plattenmillionen in der Tasche und die Toyota-Werbekohle auf dem Konto. Boning stieg gerade noch rechtzeitig aus bei „Samstag Nacht“, schrieb danach ein wenig beachtetes Buch zur Bundestagswahl, alberte mit einer Parteigründung herum und fragt sich nun in innerer Einkehr, warum das Leben doch kein Witz ist. Olli Dittrich, der zweite Doofe und einstige „Samstag Nacht“-Star, erkannte bereits Vorjahren den Fluch der Lach-Abwärtsspirale: „Wir müssen zu immer stärkeren Mitteln der Sinnlosigkeit greifen, um diesen herrlichen Zustand völliger Irritation beim Zuschauer zu erreichen.“ Inzwischen spüren Comedians wie Monty Arnold selbst: „Das Publikum scheint allmählich ebenso übersättigt wie die Unterhaltungsredakteure der Sender.“
Eine Einsicht, die bei den öffentlich-Rechtlichen freilich noch nicht angekommen ist. Dort verheizt man nach wie vor Gebührengelder in Millionenhöhe im Glauben, mit Comedy Quote machen zu können. Pech: Sissi Perlinger und „hallo Schröder“ (ARD) fielen binnen weniger Folgen unter die Millionen-Marke. Nur beim ZDF will man weiterhin durch eine personelle Aufstockung der Comedy-Redaktion ein jüngeres Publikum (Altersdurchschnitt seiner Zuschauer: zwischen 30 und 40 Jahren) erreichen.
Doch der Trend von der Comedy zur Tragedy ist unaufhaltsam und hat längst auch den Platten-Markt erfaßt Konnten vor wenigen Jahren Blödel-Alben wie „Lieder, die die mit nicht braucht“der Doofen noch eine Million Käufer begeistern, schaffen 1999 einschlägige Witz-Platten noch nicht mal mehr den Gold-Status. Abgesehen von Dauerbrenner Rüdiger Hoffinann, der nach Otto und Badesalz 1998 den Comedy-„Echo“ bekam, gelangen inzwischen fast nur noch Platten mit direkter Anbindung an populäre (und wirklich witzige) Radio-Shows in die Charts: die Telefon-Terroristen von Studio Braun (Radio Hamburg), Teddy Schultze und Elmar Brandt alias Schrödi & Helmut von der „Kanzler WG“ (unter anderen RTL Berlin und Antenne Thüringen) oder das SRW3-Duo Osterwelle & Ützwurst, deren absurden Fahrten im „Taxi Sharia“ stets bei Elvis in Memphis enden. Vor allem der Bedarf nach Rundfunk-Comedy-Nachwuchs hat mittlerweile dazu geführt, daß dieses Fach gar an Akademien unterrichtet wird. So hat das Hannoveraner , „Frühstyxradio“ mit der Hamburger Akademie für Publizistik eine „Radio Comedy Akademie“ gegründet Seit letzten Herbst unterrichten in Köln Lachgranaten von Hugo Egon Balder bis Rudi Carrell an der „Gag Academy“. Trägen die TV-Firma Brainpool mit der Adolf Grimme Akademie.
Denn nach wie vor läßt sich auch für Nachwuchs-Texter mit Comedy gutes Geld verdienen: „Früher“, schreibt die „taz“, „gingen arbeitslose Lehrer auf die Straße und propagierten ‚Clown Power‘. Heute nennen sie sich Comedians, arbeiten beim Fernsehen und verdienen um ein Vielfaches mehr als Kommilitonen, die eine feste Stelle haben. Das System funktioniert.“ Ideologisch, meint Rüdiger Hoffmann, sei der Job für arbeitslose Studienräte politicaly total correct: „Nicht Comedy verblödet die Leute. Wer auf so was steht, ist schon längst verblödet.“