„Trompe Le Monde“- und „Bossanova“-Tour der Pixies: Joey Santiago im Interview

Pixies-Gitarrist Joey Santiago über die jüngste Albentournee – und den Ausstieg Paz Lenchantins

Vom 08. bis 10. März 2024 gastierten die Pixies in Dublin, wo sie im Olympia Theatre ihre jüngste Konzertreise gestartet haben. Sie spielen auf ihrer Tournee ihre Klassikeralben „Bossanova“ und „Trompe Le Monde“ in voller Länge (lesen Sie hier unsere Konzert-Review). Wir trafen Gitarrist Joey Santiago nach dem ersten Auftritt zum Interview.

Die Pixes feierten ihre Reunion 2004. Warum hat es 20 Jahre gedauert, bis Sie ihre Alben „Bossanova“ und „Trompe Le Monde“ von 1990 und 1991 aufführen?
Joey Santiago: Es lag jedenfalls nicht nur daran, dass viele unserer Fans die Lieder von „Doolittle“ lieber hören wollten. „Bossanova“-Songs wie „Dig For Fire“ waren auch schwerer zu proben. Das Taktmaß ist schwieriger zu bewältigen, als so mancher glaubt.

„Dig for Fire“ war damals auch der einzige Pixies-Song mit einer eigenen Single-Version und verändertem Intro …
Alles in allem vielleicht doch keine zu komplexe Aufgabe als Live-Song, aber bei „Dig For Fire“ handelt es sich um einen, den wir lange nicht mehr gespielt hatten. Und die Leute wollten ihn definitiv mal wieder hören! Dann gibt es solche Stücke, die wir Deep Cuts nennen, weil es Sinn ergibt, dass sie auf der Platte landeten, aber vielleicht nicht die ersten sind, die einem als Livesongs einfielen, wie „Lovely Day“ von „Trompe Le Monde“.

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Von „Doolittle“ gibt es eine Deluxe-Version. Ist das bei den anderen Alben jener Ära auch denkbar – existieren außer dem Netzfundstück „Brackish Boy“ noch andere unveröffentlichte Songs?
Das kann ich mir nicht vorstellen, aber ich könnte mir auch nicht sicher sein. Soweit ich weiß, ist abgesehen von diesem Lied alles, was wir einspielten, 1991 auf „Trompe Le Monde“ erschienen.

Als anerkannter Gitarrist …
Oh shit, man!

… Nun, Sie haben einige prominente Fans. The Edge, Thom Yorke, PJ Harvey. David Bowie sagte, Sie seien grundlegend für den Sound der Pixies.
Bowies Kompliment an mein Spiel war das größte, das ich je erhielt.

Er sagte, Sie seien „schrecklich unterschätzt“ und ein „Meister der Texturen“.
Seine Worte waren wie ein Schutzschild, das mich komplett umhüllte. „Psychotic Beatles“ nannte er uns. Wenn manche Leute was anderes sagten, musste ich nur an ihn denken, und alles war gut.

Stört es Sie, dass Sie in vielen Listen der besten Gitarristen, wie die des ROLLING STONE, nicht erwähnt werden?
Nein. Wen interessiert schon, wer darin gelistet ist? Mein Spiel war gut genug für Bowie. Seine Liste toppt alle anderen. Vielleicht sollte ich mal ein Ranking erstellen! Ein Ranking der lustigsten Rankings!

Bono sagte vor ein paar Jahren noch: Ihre ersten Alben klängen „as fresh as paint“.
Wir nahmen unsere Debüt-E.P. „Come On Pilgrim“ 1987 auf, das war die Ära der großen Studio-Gimmicks. Gated Reverb beim Schlagzeug zum Beispiel. Von diesen Novelty-Produktionsstricks hielten wir gar nichts. Ich finde, dass Charles‘ (Black Francis, Sänger) Themen zeitlos waren, und wenn überhaupt an eine Zeit gebunden, dann doch sehr historisch …

… das Alte Testament etwa …
… nichts jedenfalls, was zu den schillernden 80er-Jahren passte.

Denken Sie manchmal noch an die Berliner Hansa-Studios zurück, in denen Sie 1990 Songs aufnahmen?
Oh ja, wir spielten dort „Blown Away“ ein. Der Song hat sehr, sehr starken Hall. Das lag auch am Meistersaal, in dem wir aufzeichneten. Wir hatten die Mikros viele Meter von uns entfernt installiert, allein um die Echo- und Hall-Effekte dieses Saals demonstrieren zu können.

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Zwei Wochen nach „Trompe Le Monde“, im September 1991, erschien „Nevermind“ und überstrahlte alles andere. Kurt Cobain selbst bezeichnete sich als „Pixies-Rip-Off“. Wie sehen Sie das?
Ah, come on. Er war kein Rip-Off. Beeinflusst von uns? Sicher, aber das ist doch völlig okay. Wir wissen doch, welcher Logik die Entwicklung neuer Musik folgt. Wir wurden doch selbst von anderen Bands beeinflusst, und ich hoffe sogar, dass man das hört. Vereinfacht gesagt: Ich habe jede Band, die gute Songs schrieb, verinnerlicht. Die Beatles, The Velvet Underground. Die Rolling Stones. Unabhängig davon kann ich nachvollziehen, inwiefern wir Nirvana beeinflusst haben, klar.

„Space (I Believe In)“ ist der einzige Pixies-Song, der mit einem Gitarrensolo beginnt, oder?
Und er feierte nun auch noch seine Live-Premiere! Ihn einzuüben war weniger hart, als ich befürchtet hatte. Charles und ich spielen ja recht unterschiedliche Sachen darin, wenn man das so vereinfacht sagen kann.

Ihre Leadgitarre setzt den verzerrten Metal-Akkorden Ihres Sängers oft liebliche Kindermelodien entgegen, wie in „Debaser“ oder „The Happening“.
Auf jeden Fall. Ich wollte „The Happening“ so simpel halten, wie es nur geht. Dem Song dienlich sein. Um 1990 gab es unzählige Metal-Bands, die sich gegenseitig darin übertreffen wollten, so viele Töne wie nur möglich pro Sekunde anzuschlagen. Nicht mein Stil. Ich bot eine Alternative. In „Motorway To Roswell“ spiele ich zeitweise nur zwei Töne. Man muss schon einigermaßen harte Nerven haben, um das durchzuziehen. Oft spiele ich aber auch gern die Gesangsmelodie nach, wie in „Ana“. Das alte Pop-Rezept. Viele Gitarrensoli paraphrasieren den Gesang.

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Im ROLLING-STONE-Interview mit The Jesus and Mary Chain bekräftigte Jim Reid unlängst seine Aussage von 1991: Die Pixies-Version von „Head On“ schlägt deren eigene um Längen.
Niemals.

Sie seien härter und präziser.
No Way. Wie könnten wir es besser machen als The Jesus and Mary Chain? Ihre Version ist fucking awesome!

In „Vamos“ werden Sie regelmäßig live zum Schauspieler, stellen Tricks an mit dem Gitarrenkabel, fesseln sich damit …
Für mich sind das kathartische Momente, ich brauche das. Ich habe nicht immer darauf Lust, aber wenn doch, dann sind das solche Momente, in denen ich richtig was zu tun bekomme, mich in mich selbst verlieren kann.

Sie spielen Gibson-Gitarren, am häufigsten die Les Paul. In den Indie-Kreisen der 1980er-Jahre galt dieses Modell als ein bisschen zu amtlich.
Ja, und? Ich hatte früh gemerkt, dass ich in dieser Hinsicht eigen bin. Alle spielten auf Fender-Gitarren, schon klar. Sonic Youth are all Fenders. Aber für mich war es ausgeschlossen, zwei Fenders auf der Bühne zu haben, also Charles und ich mit derselben Gitarre. Ich finde sogar, dass das generell nicht geht. Aber wissen Sie was? The Clash, die Punkmusiker, spielten auch auf Gibsons. Soweit ich weiß, griff Mick Jones auf eine Les Paul zurück.

Der Ausstieg von Paz Lenchantin wenige Tage vor der Tourpremiere sorgte für Wirbel. Laut Band-Statement wolle sie sich eigenen Projekten widmen. Sie selbst sagte aber, sie sei von der Trennung so überrascht worden wie die Fans.
Unser Statement fasst die Situation zusammen. Sie wird sich eigenen, anderen Dingen widmen. Das wird sicher passieren.

Wird ihre Nachfolgerin für die Tournee, Emma Robertson, ein Pixies-Mitglied werden?
Es wäre viel, viel zu früh, um derartige Überlegungen anzustellen. Ich habe das Gefühl, dass sie bei uns eine tolle Zeit erlebt, und wir arbeiten gern mit ihr zusammen.

Auf dem jüngsten Pixies-Album „Doggerel“ sind Sie erstmals als Co-Komponist als auch Texter aufgeführt. Machen Sie damit weiter?
Das nächste Pixies-Album wird, davon gehe ich aus, auch einen Songtext von mir enthalten. Verrückte Sache, aber es macht Spaß.

In „Dregs of the Wine“ geht es um Saufgelage unter dem Hollywood-Schriftzug. Dabei kommt man doch doch gar bis ganz nach oben hin?
Stimmt nicht, man kommt dort sehr wohl hoch. Die Wege sind verborgen und abgezäunt, das wiederum stimmt. Die Buchstaben anzufassen, das geht natürlich nicht, die hängen zu hoch. Aber ich stand schon direkt unter den riesigen, verdammten Buchstaben. Ich bin mit dem Rad bis ganz nach oben gefahren. Ein tolles Gefühl.

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