„Pink Floyd sind eine Geisteshaltung“: Wayne Coyne im Interview über 50 Jahre „The Dark Side Of The Moon“
Flaming-Lips-Sänger Wayne Coyne sprach mit ROLLING STONE über seine Liebe zu Pink Floyd — und was „The Dark Side Of The Moon“ so besonders macht.
Sich mal eben „The Dark Side of the Moon“, eines der größten Rockalben aller Zeiten, zur Brust zu nehmen und eine eigene, alles andere als kreuzbrav das Original nachbetende Version veröffentlichen: Damit sind The Flaming Lips (gemeinsam mit Henry Rollins, Peaches und White Dwarfs) 2009 durchaus ein Wagnis eingegangen – allerdings konnte man mit einer so ausgeprägten Unbekümmertheit wohl gar nicht scheitern. Auch wenn das Projekt aus einem Witz heraus entstanden ist — seine Liebe zu Pink Floyd ist für Flaming-Lips-Chef Wayne Coyne durchaus ernst.
Zum 50. Geburtstag der Platte sprachen wir mit Coyne über die Faszination, die „The Dark Side Of The Moon“ immer noch ausübt, und warum Pink Floyd mehr Punk sind als viele Punkbands.
Mr. Coyne, als Pink Floyds „The Dark Side Of The Moon“ erschien, waren Sie zwölf Jahre alt. Erinnern Sie sich daran, wann und wie Sie das Album zum ersten Mal gehört haben?
Das habe ich meiner Erinnerung nach meinem älteren Bruder und seinen Freunden zu verdanken. Allerdings habe ich die Platte nicht im selben Jahr gehört, als sie herauskam, sondern erst ein paar Jahre später. Sie haben es immer und immer wieder gespielt und ich hatte lange Zeit gar keine Ahnung, wer das war. Davor waren Pink Floyd ja noch nicht so berühmt, sondern hatten noch was von einer verrückten Undergroundband. Mit „The Dark Side of The Moon“ ging’s dann aber richtig los.
The Flaming Lips haben kurz nach ihrer Gründung in den 1980er-Jahren einmal als Support für The Jesus And Mary Chain in San Francisco gespielt — und da haben Sie ausgerechnet „Wish You Were Here“ gecovert. Damit haben Sie sich bei den Post-Punks im Publikum nicht unbedingt beliebt gemacht.
Ja, das zeigt, wie völlig realitätsfern wir waren. Oder wie wenig wir uns um die Dinge geschert haben. Oder wie dorky wir waren. Damals fanden wir das einfach cool. Wir haben den Song ja auch aufrichtig geliebt! Aber ja, ich glaube damals hat es keine einzige Person im Publikum gemocht oder die Aktion toll gefunden (lacht).
Warum waren Pink Floyd Ihrer Meinung nach für viele Punks der Lieblingsfeind? Für viele waren sie ja fast schon der Antichrist, zum Beispiel für John Lydon.
Ja, aber John Lydon hat ja auch zugegeben, dass er Pink Floyd in Wirklichkeit liebt. Sie waren einfach die offensichtlichste Zielscheibe. Musiker und Bands haben eben gerne einen Feind — um sich von irgendetwas distanzieren zu können. Wir haben das aber nie gemacht. Wir liebten immer schon Punkrock und Classic Rock, Countrymusik und Jazz.
Sie meinten mal, Pink Floyd wären viel mehr Punk als die damaligen Punkbands gewesen.
Ja, hören Sie sich mal das Syd-Barrett-Solozeugs an. Der Mann ist echt sein eigener Herr. Er spielt nach seinen eigenen Regeln, lässt sich nichts dreinreden. Zu Beginn mochte ich das an Punkrock: Es gab keine Regeln, man konnte tun, was man wollte. Das ist der Grund, warum wir bei The Flaming Lips zu Beginn schon so viel Selbstvertrauen hatten — wir konnten Musik machen, weil wir wirklich überhaupt keine Ahnung hatten, was wir da taten. Das war eine große Gnade. Für mich bedeutet Punkrock, dass man einfach seinen eigenen Scheiß macht, nicht aufgibt und sich nicht darum kümmert, was andere denken.
Was, glauben Sie, macht „The Dark Side Of The Moon“ so zeitlos?
Es sind einfach wirklich tolle Songs drauf. Es ist perfekt — aber es ist auch immer der gleiche Song, immer und immer wieder. Das Album versucht gar nicht dynamisch zu sein, lauter und leiser zu werden. Es ist derselbe Song mit ein paar seltsamen Instrumentalpassagen dazwischen. Es erzeugt eine Stimmung, eine Geisteshaltung. Roger Waters, der gar nicht anders kann als immer sauer zu sein — und das in Kombination mit David Gilmour und Richard Wright, zwei sanftmütige, äußerst nette britische Musiker. Die Kombination zwischen diesen Polen macht die Magie aus. Kurz gesagt: tolle Songs, tolle Sounds, toller Gesang, tolle Harmonien, tolle Ideen.
2009 haben Sie Ihre eigene Version des Albums veröffentlicht — mit Henry Rollins, Peaches und White Dwarfs. Wie kam das zustande?
Wir spielten auf diesem Hippie-Festival und man bat uns, ein langes Set zu spielen. Zwei, drei Stunden spät in der Nacht — sowas machen wir normalerweise nicht. Wir haben uns ein paar der längeren Stücke von „The Dark Side Of The Moon“ vorgenommen. Als unser Album „Embryonic“ rauskam, brauchten wir für iTunes ein paar Solotracks. Ich habe Apple aus Spaß vorgeschlagen, dass wir doch einfach „The Dark Side Of The Moon“ aufnehmen konnten, ein paar Songs hatten wir ja bereits drauf. Sie haben es ernst genommen und gefragt, ob sie einen Produzenten vorbeischicken sollen. Bei Henry war das übrigens lustig: Er war der einzige Mensch in meinem Alter, der „The Dark Side Of The Moon“ davor nicht gekannt hatte.
Haben Sie eigentlich jemals mit jemandem von Pink Floyd über die Platte gesprochen?
Nein, aber es gibt — wie auch bei den Beatles — eine Art ungeschriebenes Gesetz: Wenn sie nicht wollen, dass du die Platte rausbringst, werden sie es dich definitiv wissen lassen. Wir hatten immer gescherzt, dass wir bei den Aufnahmen einen schwarzen Helikopter sehen würden, der über dem Studio kreist. Plötzlich würden Menschen aus diesem Helikopter rausspringen, unser Studio zerstören und sagen: „Macht das ja nicht nochmal.“ Aber im Ernst, ich glaube, Roger Waters und Nick Mason würden es sogar ganz gut finden, wenn sie es hören würden. Einfach, weil sie offen für Interpretationen sind, denke ich. Bei Roger Waters bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn jemals zu einer Konfrontation treffen wollen würde. Ich meine, ich liebe Roger Waters und würde mich gerne mit ihm unterhalten. Ich denke, ich würde unsere Version nur nicht gleich zu Beginn ansprechen.
Also würde Waters den Helikopter über Ihrem Studio kreisen lassen?
Ja, wahrscheinlich.
Gibt es auf „The Dark Side Of The Moon“ ihrer Einschätzung nach einen Schwachpunkt?
Ja, für mich ist das „Money“. Den Song würde ich mir einfach nie anhören wollen, ich schalte immer weiter.