Phil Spector: Mäuse und Ratten
Produzent Phil Spector baut die "Wall of Sound". Frühjahr 1963.
„Ich glaube, mit mir arbeiteten alle gern, aber sie hassten Gold Star“, sagt Phil Spector über das kleine, feuchte Studio in Hollywood, wo seine klassischen „Wall of Sound“-Singles entstanden. „Im Gold Star gab’s Scheiße, Mäuse, Ratten, Kakerlaken, eine 90-Prozent-Wahrscheinlichkeit, dass sie draußen dein Auto knackten, und einen Toilettensitz, auf dem man sich Filzläuse holte. Alle Musiker hatten welche und gaben sie an ihre Frauen und Freundinnen weiter – ich wette, diese Filzläuse haben ein paar langjährige Beziehungen auf dem Gewissen.“ Aber, so fügt er hinzu, „wen kümmerte das? Es hatte einen super Hallraum.“ Dieser Hallraum bestand aus Betonkästen, jeder etwa einen Meter hoch und etwas über einen Meter breit, und war einer der wichtigsten Bausteine in Spectors „Wall of Sound“. Ein anderer war sein gnadenloser Perfektionismus. Der Mann, dem Tom Wolfe den Spitznamen „Tycoon of Teen“ verpasste, war im Studio ein gnadenloser Schinder: Die Mitglieder seiner Hausband (intern hießen sie „das Abbruchkommando“), mussten ihre Stücke bis zum Umfallen proben, und Spector ließ die Arrangements so oft wiederholen, bis er haargenau das bekam, was er wollte.
Es war nicht zuletzt die schiere Menge an Musikern, die diesen Sound hervorbrachte: Anfang 1963, als er mit den Aufnahmen für „Be My Baby“ begann – als Teil einer Serie von 20 Monster-Hits zwischen 1962 und 1966 -, stopfte der Produzent mehr Musiker ins Studio, als eigentlich reinpassten. Zwei Bassisten, fünf bis sechs Percussionisten, fünf bis sechs Keyboarder, eine fünfköpfige Bläsersektion, ein Schlagzeuger und sieben bis acht Gitarristen. „Ernsthaft, oft mussten wir die Leute stapeln“, erklärt Spector. „Es war nicht ungewöhnlich, dass zwei oder drei Pianisten am selben Instrument zugange waren – einer im oberen Register, der zweite in der Mitte und der dritte unten zusammen mit einem Cembalo, einem elektrischen Piano und einem Klavier.“
Im Zentrum des ganzen angerichteten Irrsinns-Bombastes stand die erst 17-jährige Sängerin (und spätere Mrs.Spector) Ronnie Bennett, die so schüchtern war, dass sie grundsätzlich nur in der Garderobe übte. Sie brauchte drei Tage für den Gesang, danach laborierte Spector noch drei Monate an dem Song herum, bis er endlich zufrieden war. „Ich war ständig im Studio, änderte etwas, änderte es dann wieder, um es noch besser hinzukriegen. Ich musste das Stück hunderte Male hören, und jeder Overdub war kritisch. Nach Hause ging ich nicht, weil die anderen Schlaf brauchten. Ich konnte sowieso nicht schlafen.“