Pflichtprogramm!
Wir sehen schwarz: Die wichtigsten DVDs afroamerikanischen Popkultur - von Blues bis HipHop...
Was sie schon immer über den Blues wissen wollten, aber bislang nicht zu fragen wagten: Martin Scorseses siebenteiliges Film-Projekt präsentiert auf 780 Minuten so ziemlich alle Facetten des guten alten Zwölftakters. Und das auch noch in höchst ansprechender Weise: Ob Regisseur Clint Eastwood die Großen des Piano-Blues vorstellt, Charles Burnett im tiefsten Mississippi den satanischen Aspekten des Genres nachspürt, Wim Wenders Skip James und anderen seine Reverenz erweist oder Scorsese persönlich die afrikanischen Wurzeln ausgräbt -The Blues: Collector’s Box Edition (Ascot Elite Home Entertainment) lässt keine Wünsche offen.
Was man von Ken Burns‘ zwölfteiliger Serie Jazz (In-Akustik) auch gerne behaupten würde: Viel Originalmaterial, jede Menge Interviews und die Einbindung des Jazz in den soziokulturellen und politischen Kontext stehen auf der Habenseite dieser Fleißarbeit, dass Burns das Schwergewicht allzu deutlich auf den Swing der dreißiger Jahre legt und die moderneren Spielarten seit Ende der fünfziger Jahre nur kurz streift, ist allerdings bedauerlich. Dennoch: eine sehenswerte Dokumentation und Pflichtprogramm für alle Jazzfans.
Das ganze Spektrum bietet der Konzertfilm Jazz On A Summer’s Day (Soulfood), Bert Sterns wunderbar inszenierter Mitschnitt des Newport Jazz Festivals von 1958. Besonders angenehm, dass die Grabenkämpfe zwischen Traditionalisten und Modemisten künstlerisch keine Rolle spielten. Zum Line-Up gehörten nämlich Veteranen wie Jack Teagarden und Louis Armstrong, ein Querdenker wie Thelonious Monk und gar Rock’n’Roller Chuck Berry. Alles ging, und es ging sogar gut. Ein beinahe postmoderner Ansatz also, und das im Jahr 1958.
Weitaus traditioneller ging es naturgemäß beim „American Folk Blues Festival“ zu, das in den sechziger Jahren regelmäßig durch Europa tourte: Die DVD The American Folk Blues Festival 1962-1966: The British Tours (Universal) zeigt Auftritte von Muddy Waters, Junior Wells, Howlin‘ Wolf, Sister Rosetta Tharpe und anderen US-Großmeistern, die in ihrer Heimat damals zum alten Eisen gehörten, in Europa jedoch auf offene Ohren stießen. Ein Zeitdokument jener Ära, als die alte Welt den Blues entdeckte. Und eine Sammlung großartiger Musik noch dazu.
Schwarze US-Amerikaner standen zu dieser Zeit eher auf die Sweet Soul Music. Das wusste natürlich auch der knorrig-sympathische TV-Gastgeber Ed Sullivan, der die Stars der Stunde in seine Show holte: Motown Gold (Edel) versammelt schön bunte TV-Auftritte von Stevie Wonder, Marvin Gaye, The Supremes, The Jackson Five und Smokey Robinson & The Miracles. Wer mehr Stoff braucht, findet auf The Soul Of Motor City (Edel) auch noch The Temptations, The Righteous Brothers, James Brown und The Four Tops.
Heiße Musik fand im US-Fernsehen aber nicht nur bei Mister Ed statt, Mitte der sechziger Jahre widmete sich eine 26 Folgen umfassende Serie sogar ausschließlich dem Soul und R&B: The !!!! Beat (Bear Family) hieß die legendäre Show, in der Stars wie Gatemouth Brown, Johnny Hebb, Freddie King, Etta James, Louis Jordan, Percy Sledge, Otis Redding und viele andere mehr auftraten. Erhältlich auf sechs DVDs, liebevoll restauriert und ganz in Farbe.
Noch mehr Soul und noch mehr Otis Redding: Die Doppel-DVD Respect Yourself/Stax-Volt (Universal) erzählt nicht nur die Geschichte des legendären Stax-Labels aus Memphis, sondern bietet auch Ausschnitte der Stax-Volt Revue 1967, aufgenommen in Norwegen – und in Schwarzweiß. Mit dabei: Sam & Dave, Booker T. And The M.G.’s, Arthur Conley, Otis Redding und andere mehr. Sehr sehenswert ist das.
Und hinterlässt einen deutlich kultivierteren Eindruck als der ebenfalls 1967 entstandene Konzertmitschnitt Jimi Plays Monterey (Universal) der Jimi Hendrix Experience. Andererseits: Wenn Jimi mit Federboa den Gitarrengott gibt und zu „Wild Thing“ die Stratocaster flambiert, ist das schon ganz großes Kino. Seinerzeit gedreht von Dokumentarspeziaiist DA Pennebaker. Disziplin auf der Bühne herrschte indes bei Ike & Tina Turner: The Legends Live In ’71 (Edel): Die Ikettes tanzen synchron, Ike hält die Band auf Trab, und Tina röhrt miniberockt „Proud Mary“, „River Deep, Mountain High“ und anderes mehr. Nicht nur eine gute Live-DVD, sondern auch ein guter Übergang zum nächsten Thema: Blaxploitation.
Das Genre hat bekanntlich einige Klassiker hervorgebracht, und zwei davon gehören in wirklich jedes DVD-Regal: Richard Roundtree als schlagkräftiger Privatdetektiv und Immerkönner Shaft (Warner), in Szene gesetzt 1971 von Gordon Parks, profitiert natürlich auch von Isaac Hayes‘ genialem Soundtrack: „Who’s the black private dick, that’s a sex machine to all the chicks? Shaft! Ya damn right!“ Dass Sohnemann Gordon Parks Jr. auch prima Filme machen konnte, bewies er ein Jahr später mit der Gangster-Aussteiger-Saga Superfly (Warner). Den brillanten Soundtrack von Curtis Mayfield und die Erkenntnis, dass man ein Kruzifix auch zum Koksschnupfen missbrauchen kann, gab’s gratis dazu.
Harte Drogen waren nichts für ihn, die weichen um so mehr: Bob Marley: Live! At The Rainbow (Universal) zeigt die Reggae-Ikone während der „Exodus“-Tournee 1977. „I Shot The Sheriff“, „No Woman No Cry“ – alles dabei. Und auf DVD zwei gibt’s die biographische Doku „Carribean Nights“.
Vom Kult der siebziger zum Kult der achtziger Jahre. Und einem kleinen Mann aus Minneapolis, der für den Soundtrack zum Film Purple Rain (Warner) einen Oscar kassierte. Die Musik ist ja auch Klasse, ebenso wie Prinzens Auftritte im Film. Die Handlung? Eher Nebensache: Ein Musiker aus Minneapolis macht seinen Weg. Das kommt einem bekannt vor, nicht wahr?
Weit weniger bekannt ist indes die Tatsache, dass „Banana-Boat“-Veteran Harry Belafonte 1984 einen HipHop-Film produzierte: Beat Street (Edel) fängt die Spät-Siebziger-Szene in der South Bronx authentisch ein, inklusive Breakdance, Graffiti und Bandenkrieg. Spurensuche für Homies und alle, die es werden wollen.