Peter Huths „Der Honigmann“: Ein Roman über eine Welt vor dem Kipppunkt
Ein Roman über reale Probleme, Nöte und die Zerbrechlichkeit einer sonst in der Literatur selten behandelten Gruppe.
Die Klima-Aktivisten der Letzten Generation heißen mit vollem Namen Letzte Generation vor den Kipppunkten. Nicht nur das Klima kann kippen, sondern auch eine Stimmung. In „Der Honigmann“ geht es um die Stimmung in einem idyllischen Berliner Vorstadtort mit glücklichen, gesunden und erfolgreichen Menschen in prächtigen Eigenheimen. Ihre Kinder gehen auf gute Schulen, und Verbrechen gibt es woanders, aber nicht bei ihnen. Dieses Paradies scheint bedroht, als in unmittelbarer Nähe der Schule ein kleiner Laden mit Honigspezialitäten aufmacht. Schnell entwickelt er sich zu einem beliebten Anlaufpunkt von Kindern und Müttern. Als herauskommt, dass der freundliche Ladenbesitzer ein verurteilter Kinderschänder ist, bildet sich eine Gruppe besorgter Eltern und es wird etwas in Gang gesetzt, das nicht mehr zu stoppen ist.
Der Roman ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. Es gab einen Honigmann, der am Wohnort des Autors ein Geschäft eröffnete. Seine Vergangenheit flog jedoch schnell auf und nach einer Woche verschwand er plötzlich spurlos. Alles Weitere im Buch ist erfunden.
Peter Huth – Journalist, Schriftsteller („Berlin Requiem“) und den ROLLING–STONE-Lesern als Prog-Rock-Experte bekannt – hat einen spannenden und unterhaltsamen Text über die Zerbrechlichkeit der Mittelschichts-Idylle geschrieben und darüber, wie weit Menschen gehen, um sie zu erhalten. Es ist kein Krimi oder Roman über Pädophilie, stattdessen beschreibt Huth konkret die realen Probleme, Nöte und die Zerbrechlichkeit dieser sonst in der Literatur selten behandelten Gruppe. Dabei ist der Honigmann selbst nur ein Platzhalter für deren Bedrohung, die vor allem durch wirtschaftliche Sorgen und Furcht vor Jobverlust geprägt sind. Vielleicht erleben wir gerade die letzte Generation dieser oberen Mittelschicht, mindestens jedoch den endgültigen Verlust ihrer einstigen Unbeschwertheit.
Vier Sterne