Peter Gabriel: Stadtpark, Hamburg: Charisma statt Bühnenshow
Der Meister des Brimboriums, Peter Gabriel, ohne Brimborium
Überraschung: Peter Gabriel hat die Mitglieder seines Full Moon Club (Gabriels Version des Web 2.0) online abstimmen lassen, welche Songs auf der Sommertour 2007 gespielt werden sollen. Und kam also mit einer Setlist aus alten Insider-Faves und Spezialistenliedern. „Intruder“, „D.I.Y“, „Moribund The Burgermeister“, „Humdrum“, „I Don’t Remember“. „No Self-Control“, „Mother Of Violence“ (gesungen von Gabriels Tochter Melanie), sogar „Schnappschuss“ – keine leichte Kost für den Gelegenheitsfan, der sich in der Woche zuvor noch Genesis angesehen hatte und nun vermutlich etwas düpiert ist, weil er von den ersten zehn Songs nur „Blood Of Eden“ zu Hause im Regal hat.
Gabriel zuzuschauen, wie er ganz ohne Show-Konzept die Texte wie auch die deutschen Ansagen abliest, einfach „mit den Jungs ein paar Lieder spielt“, das ist so. als träfe man einen Arbeitskollegen in der Sauna: Man geniert sich ein bisschen. Gabriel, bei dem sonst jede Lampe zu jedem Wort und jeder Ton zu jedem Special-Effect passt. als lapidare Sommer-Show? Eine Entblößung, die einen ein bisschen unsicher macht. Zumal hier nicht jeder Ton sitzt und der Sound entlarvend transparent ist, nicht so gediegen verschachtelt wie sonst.
Doch das Konzert im Stadtpark, das freundlich ist und familiär, hat viele gute Seiten. Gabriel beweist im Umgang mit den lang nicht mehr gespielten Liedern nach wie vor großes Charisma – man hatte nach mindestens zwei mäßigen Platten und all den Geschichten von Schimpansenmusik ja die Sorge, der Mann würde ins Sonderbare abgleiten, doch Gabriel wirkt aufgeräumt und ganz bei Sinnen; es werden sogar Faxen gemacht.
Und die alte Musik? Die macht nostalgisch, auch wenn diese Art von Gefühl nicht angelegt ist in Gabriels Frühwerk, das viel eher distanzierte Analyse menschlicher Zustände und also eine Art Programm-Musik ist als – Achtung! – Prog-Rock. Am Ende bindet Gabriel den Sack zu und erspart sich viel Ärger: „Lay Your Hands On Me“, „Digging In The Dirt“, „Solsbury Hill“, „Sledgehammer“ und „In Your Eyes“ bilden dann doch deutlich den emotionalen Höhepunkt, weil sie dem Menschen zugewandt und herzenswarm sind – nicht sentimental, wie viele immer falsch verstehen.
Warum Gabriel überhaupt auf Tournee geht? Weil er die Band ohnehin für das Jubiläumskonzert beim diesjährigen W.O.M.A.D.-Festival versammeln musste. Und wer probt schon gerne bloß für ein Konzert?