Peter Gabriel: Schmiedehammer und stinkender Fisch
1993 kürte der "Rolling Stone" die 100 besten Videoclips aller Zeiten. Platz eins belegte dabei Peter Gabriels legendärer "Sledgehammer"-Clip.
Es beginnt mit Bildern umhertanzender Spermien und endet mit dem sternengeschmückten Sänger, der sich aus seinem Wohnzimmersessel erhebt, um in den Weiten des Himmels zu verschwinden – der großartige Anspruch dieses Videos besteht darin, den Tanz des Lebens selbst einzufangen. Dies tut es mit animierter Bildaction, gleichermaßen blöde wie gruselig – das Gesicht des Sängers wird zum Kartoffelacker, kopfloses Geflügel als Vaudeville-Act, der die Frage nach Huhn oder Ei beantwortet, und so weiter – all das als Unterstützung einer Single, die den kommerziellen Durchbruch für Rock-Abenteurer Peter Gabriel markierte.
Bei Genesis wurde der Sänger mit wilden Kostümen und extravaganten Songszenerien zum Pionier in Sachen Rocktheater, weshalb er bereits bestens eingestellt war auf die künstlerischen Möglichkeiten des Rockvideos. Dabei allerdings wollte er alle Beschränkungen außen vor lassen. Um dies sicherzustellen, wählte er Stephen Johnson, dessen Arbeit für „Peewee’s Playhouse“ das Kinderfernsehen genauso revolutionierte wie dieser Clip das Videoformat auf den Kopf stellte. „Ich mochte Stephens Unvoreingenommenheit und lud ihn ein, um Ideen für das Video auszutauschen“, sagt Gabriel. „Wir waren beide darauf aus, etwas Neues zu kreieren. Ein paar Wochen verbrachten wir damit, den Song anzuhören und Konzepte auszubrüten. Stephen schleppte die Quay-Brüder an“ – ein eigenwilliges Team von Puppenanimateuren, dessen bemerkenswerte Arbeit weltweiten Kultstatus genießt – „und ich brachte Aardman Animation ins Spiel. Das Ergebnis war ein ungewöhnliches Team von exzentrischen Talenten.“
Welches dem Star einiges abverlangte, etwa absolutes Stillhalten, als die Animateure eine Spielzeugeisenbahn rund um sein Gesicht bauten. Während die meisten Videodrehs gerade mal einen Tag Zeit beanspruchen, so dauerte dieser hier eine ganze Woche. „Zeitweise war das sehr ungemütlich“, berichtet Gabriel. „Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich einen himmelblauen Rahmen über meinem Gesicht hatte und Stunden unter einer mit Fischen bedeckten Glasscheibe verbrachte, die in dem heißen Scheinwerferlicht heftig zu stinken begannen.“ Aber es war’s wert. „Ich denke, der Erfolg dieses Videos ergab sich aus tollen Ideen, einem exzellenten Team und einem verrückten, innovativen Regisseur.“ In typischer Bescheidenheit vergisst Gabriel den Typen zu erwähnen, der unerträglich lang still sitzen musste und ohne den es nichts davon je bis zu MTV geschafft hätte.