Peter Gabriel: Der Popstar, der keiner ist
Am 13. Februar vor 65 Jahren wurde Peter Gabriel geboren. Wir gratulieren dem Popstar, der eigentlich nie einer werden wollte, dem musikalischen Grenzgänger und politisch engagierten Humanisten.
26. Juli 1986. „Sledgehammer“, die erste Single von Peter Gabriels Album „So“, klettert auf den ersten Platz der amerikanischen Charts. Wo es ausgerechnet den Gassenhauer „Invisible Touch“ von Gabriels Ex-Band Genesis ablöst. Gerechnet hätte damit damals wahrscheinlich niemand – kein Fan, kein Musikjournalist, womöglich nicht mal Peter Gabriel selbst. Schließlich war Gabriel zuvor nicht unbedingt dafür bekannt, Hits zu komponieren. In ihm schlummerte stets ein experimenteller Eigenbrötler, dem es nicht nur gelang, gleich vier Alben absolut identisch zu benennen (einfach „Peter Gabriel“), und so ganz nebenbei Synthesizer-Klänge und Weltmusik in der Rockmusik salonfähig zu machen. Sondern seine Musik auch immer wieder als Plattform zu nutzen, um sich politisch zu äußern und für Menschenrechte einzusetzen. Am 13. Februar 2015 feiert Peter Gabriel seinen 65. Geburtstag – wir gratulieren mit einem Rückblick auf das spannende Leben des humanistischen Popkünstlers.
Zwar betrat Gabriel mit „Sledgehammer“ Mitte der Achtziger anderes Terrain als noch zuvor, schließlich war die tanzbare, von Motown-Funk inspirierte und mit Gospel-Chören gespickte Nummer nicht zuletzt wegen des aufwendig produzierten Videos omnipräsent, das auf im Musikfernsehen rauf und runter lief und sage und schreibe neun (!) MTV Video Music Awards erhielt. Ob das darauf folgende herzerweichende, todtraurige Duett mit Kate Bush, „Don’t Give Up“, ohne den enormen Erfolg der Lead-Single überhaupt größere Beachtung erhalten hätte, kann man rückblickend gar nicht mehr genau sagen. Dennoch nutzte Gabriel den plötzlichen und unverhofften Erfolg nicht einfach aus, um sich als Pop-Barde zu präsentieren – wie es zumindest sein Bandkollege aus Genesis-Zeiten, Phil Collins, ungeachtet der musikalischen Qualität seiner Songs, zeitweise tat. Nach dem Hit-Album „So“ ließ Gabriel sich sechs Jahre Zeit, in der Musikindustrie eine halbe Ewigkeit, bis er das düstere, avantgardistische „Us“ herausbrachte, auf dem er die Trennung von seiner ersten Ehefrau Jill verarbeitete.
Zwischen „Us“ und dem darauf folgenden „Up“ liegen dann schon zehn Jahre – auf das nächste reguläre Studio-Album mit komplett neuem Material warten Fans nun schon seit 2002. Oder wie Gabriel selbst immer wieder schelmisch grinsend in Interviews betont, wenn er auf „I/O“, so der Arbeitstitel angesprochen wird: „Es erscheint im Herbst.“ Das genaue Jahr würde er schon gar nicht mehr dazu nennen.
Trotz – oder vielleicht gerade wegen – solch exorbitant langwieriger Arbeitsprozesser ist Peter Gabriel immer ein Künstler geblieben, der sich nie reinreden ließ und selten Kompromisse einging. Egal, ob bei bombastischen Bühnenshows, bei der geschmackvollen Auswahl seiner Mitmusker (von Robert Fripp über Daniel Lanois und Tony Levin bis Manu Katche) oder bei der thematischen Ausrichtung seiner Platten.
So nimmt man es Gabriel jederzeit ab, wenn er Songs radikal herunterbricht, um etwas für ihn völlig Neues zu erforschen. So geschehen auf „New Blood“ und „Scratch My Back“, als er im Orchestergewand seine eigenen Stücke neu interpretiert oder Songs von Radiohead und David Bowie covert. Wenn hingegen Sting oder Tori Amos mit Klassik experimentieren, wirken die Ergebnisse eher befremdlich bis peinlich. Dieser Eigenwille, gepaart mit einer gehörigen Portion Sturheit und einem Quäntchen britischer Zurückhaltung, macht Gabriels Werk konsistent. Das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere. Obwohl er anfangs arge Probleme bekam, sich vor Publikum angemessen als Frontmann einer Rockband zu präsentieren, kitzelte er den Performer in sich durch skurrile Verkleidungen heraus, um die überlangen Progressive-Rock-Songs und komplexen Konzeptwerke von Genesis für das Publikum auch visuell herüberzubringen.
Als einer der ersten europäischen Künstler setzte er sich mit Weltmusik auseinander – Marimba, afrikanische Trommler und Sänger, Duduk (ein armenisches Blasinstrument) – und bot mit seinem WOMAD-Festival anderen Musikern eine Plattform, um sie in England zu präsentieren. Er arbeitete mit Nelson Mandela zusammen, unterstützt bis heute Amnesty International, nahm, gemeinsam mit Bruce Springsteen, Tracy Chapman und Sting, an der „Human Rights Now!“-Tour teil und gründete 1992 die humanitäre Organisation „Witness“.
Seine unerschöpfliche Neugierde verglich Gabriel einmal mit einem Hund, der in einem Park allem hinterherläuft, was halbwegs interessant riecht.
Auf dass Deine Neugierde Dich niemals verlässt – alles Gute zum 65. Geburtstag, Peter Gabriel.