Peter Fox über seine neue Platte: „Diese Posen kann ich gar nicht mehr bringen – ist doch lächerlich!“

Nach 15 Jahren kehrt der Berliner Popstar zurück und spricht über sein neues Album „Love Songs", höhere Steuern für Reiche, unfaire Vorwürfe der kulturellen Aneignung – und darüber, dass er eigentlich ein bisschen zu alt ist für dieses ganze Popstar-Ding

Ein grauer Dienstag im Filmstudio Babelsberg. Zwischen Requisiten aus Wes-Anderson-Filmen und Kinoplakaten leuchet ein elektrisches rotes Herz: „Love Songs“, das neue Album von Peter Fox, wird am Freitag, den 26. Mai, erscheinen, und der Künstler lädt zur Pressekonferenz. Allein das markiert die Bedeutung dieses Albums: Eine Pressekonferenz, für die man Berlin verlassen muss, raus nach Brandenburg – hat das nicht zuletzt Elon Musk gemacht? Die Veranstaltung zeugt nicht nur von Fox‘ Ego – Einzelinterviews gibt er allenfalls dem „Spiegel“ – sondern auch von seinem Status. Die erste Single, „Zukunft Pink“, erschien vor einem halben Jahr, ging auf die Eins. Nun das erste Peter-Fox-Album seit fünfzehn Jahren, das zweite überhaupt – es ist ein Ereignis.

Und dann huscht Peter Fox durch die Seitentür rein, mit Rucksack und maximal unglamourös, er winkt freundlich und etwas hektisch, und verschwindet erstmal nach hinten. Eine Vertreterin der Plattenfirma betont, dass es ihm wichtig sei, dass die Antworten „nicht aus dem Kontext gerissen und 1:1 wiedergegeben werden“. Fair enough. Hier also die Highlights aus der Pressekonferenz, Peter Fox in his own words:

Wie er den legendären Adriano Celentano auf sein Album geholt hat:

Wir haben diesen Song gehabt, „Toscana Fanboys“ – der fällt ja sowieso ein bisschen raus aus der Platte, weil es um die Liebe zu diesem Ort geht. Wir haben da [in der Toskana] tatsächlich zwei Wochen Studiozeit gehabt, und dann fanden wir es da so cool, dass wir den Song geschrieben haben, und dann überlegt, wie wir den noch ein bisschen aus einem reinen Touri-Swag rausholen können. Zuerst haben wir tatsächlich überlegt, ob wir nicht irgendwelche jungen italienischen Musiker oder Rapper finden, aber das war dann so: Nee, das ist irgendwie komisch, mit denen hab ich doch gar nichts zu tun.

Aber Adriano Celentano wird eh gedroppt in dem Song, der kam schon vor im Text, und dann haben wir ihn gefragt. Da gab es eine Connection über unseren Manager Markus. Es hat dann absurderweise auch noch geklappt. Wir haben von anderen Italienern gehört, die seit zwanzig Jahren versuchen, mit dem ein Feature zu machen, und bei denen hat‘s nicht geklappt. Es war auch nicht ganz unkompliziert, er ist auf jeden Fall eine Diva, muss man sagen. Aber ist trotzdem toll, dass er mit drauf ist.

Warum er nach fünfzehn Jahren wieder ein Album veröffentlicht:

Ursprünglich war nicht geplant, ein Soloalbum zu machen. Ich wollte mit Trettmann ein paar Songs machen, das hatten wir länger schon vor. Dann hat er aus diversen Gründen gesagt: Ich kann gerade nicht. Aber dann hatte ich schon Beats angefangen und so paar Themen, und dann ging das so los, und irgendwann hatten wir fünf, sechs, sieben Songs. Und dann haben Leute gesagt: Warum machst du denn nicht wieder ein Album? Erst wollte ich das auch nicht, aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht?

Wie sich „Love Songs“ von „Stadtaffe“ unterscheidet:

Ich hab von vornherein nicht das Konzept gehabt: Wir machen jetzt viel mit Streichern. Das ist für mich durch. Wir haben sehr viel mit Chören gemacht; die Streicher sind diesmal die Chöre. Es war auch ein Ziel von der Produktion, dass man hört, dass Menschen involviert sind. Dass es nicht nach Laptop-Produktion klingt, auch wenn natürlich viele Songs auch am Laptop entstanden sind. Wir haben immer versucht, viel Human Power aufzunehmen.

„Früher hab ich versucht, den Toughen zu machen … Heute kann ich das nicht mehr so ernst nehmen“

Wie er sich seit „Stadtaffe“ verändert hat:

Auf jeden Fall bin ich viele Illusionen losgeworden, die ich damals noch so hatte. Weniger romantisch. Früher war ich romantischer veranlagt, aber habe schon versucht, noch mehr den Toughen zu machen. Und jetzt hab ich das Gefühl, das ist lächerlich. Da hat sich viel verändert. Ich kann halt vieles auch nicht mehr so ernst nehmen. Viel von der Rap-Kultur, was mich früher begeistert hat, wo ich auch die Attitüde geil fand… Ich weiß halt: Das sind alles dieselben Würste wie du und ich. Diese Posen, diese Attitude, kriegt mich nicht mehr so, im Gegenteil: Ich will’s eigentlich eher dekonstruieren.

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Warum er so erfolgreich ist:

Mir geht es nicht darum, etwas zu machen, was möglichst erfolgreich ist. Zum Glück bin ich auch ein Pop-Schwein, ich mag Sachen, die anscheinend viele Leute mögen, das ist ein Teil davon, dass es manchmal funktioniert. Das ist aber nicht das, worum es mir geht. Ich will frische Musik machen und Sachen, die ich jetzt gut finde. Teilweise gibt es anscheinend große Schnittmengen, teilweise auch nicht. Ich hab auch Songs rausgebracht, die waren nicht so ein großer Erfolg wie „Zukunft Pink“, die mag ich persönlich aber mindestens genauso.

 

„Ich bin durch Musik reich geworden und weiß, dass ich eine privilegierte Position habe – und die versuche ich zu reflektieren“

Was er über die Initiative „Tax Me Now“ denkt, bei der reiche Menschen höhere Steuern für sich fordern:

Da mach ich mir viele Gedanken drüber, weil ich ja ein reicher Mensch bin. Ich bin durch Musik reich geworden und weiß, dass ich eine privilegierte Position habe, und die versuche ich auch zu reflektieren. Ich sehe auch, wie es politisch sehr viele Kräfte gibt, die darauf beharren, dass alles so bleibt wie es ist, und das finde ich nicht gut. Ich will aber auch nicht im Song sagen „Steuern hoch“, das wäre nicht so sexy, deswegen hab ich versucht, es mit „Tax Me Now“ einzupacken. Mit einer Rap-Phrase.

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Was er zu dem Vorwurf der kulturellen Aneignung sagt, mit dem ihm vor allem der Journalist Malcolm Ohanwe konfrontiert hat:

Ich muss feststellen und akzeptiere das auch, dass [die Diskussion dieses Themas] sich geändert hat, und das ist sicher größtenteils sehr berechtigt. Dass bestimmte Leute sagen: „Ey, wir wollen das mal durchdiskutieren und uns melden und sagen, das und das finden wir nicht cool, das muss sich ändern“. Da haben wir sicher alle was zu lernen, da nehme ich mich echt nicht raus. Ich fand trotzdem die Diskussion damals, und wie sie aufgezogen wurde von Malcolm, nicht cool und nicht fair. Er hat sich nicht gut informiert, wie ein Journalist das machen sollte. Er hat mir Sachen vorgeworfen, wo er, wenn er ein bisschen nachgeguckt hätte, Posts von mir [gesehen hätte], die drei Tage vorher online gingen: „Respekt an alle Afro… Danke …“ Und dann kommt er so, als ob ich so tun würde, als hätte ich das erfunden. Das fand ich halt einfach scheiße. Punkt. Trotzdem hat er mit vielen Sachen recht, für die er kämpft, und es ist wichtig, was er macht. Aber ich stand dann in der Situation, dass über meine Person kulturelle Aneignung verhandelt wurde, und vor allem andere Punkte, die mir mit dem Song voll wichtig waren, wie zum Beispiel „Tax Me Now“, überhaupt nicht besprochen wurden.

„Die ganzen Posen, die kann ich gar nicht mehr bringen – ist doch lächerlich“

Wie er über seinen Popstar-Status nachdenkt – mit Anfang fünfzig:

Ich merke, dass ich oft denke: Eigentlich ist das nicht mehr deine Rolle. Weil ich viel zu viel hinterfrage. Die ganzen Posen, die kann ich gar nicht mehr bringen. Ist ja lächerlich. Ich kann die ganzen neun Dances nicht. Deswegen hab ich schon das Gefühl, dass ich eigentlich ein bisschen zu alt dafür bin. Auf der anderen Seite macht es mir auch trotzdem noch echt viel Spaß. Ich weiß, das klingt doof, weil ich das 2008, 2009 auch gesagt habe: Ich glaub aber nicht, dass ich so eine Nummer nochmal machen werde. Damals hatte ich keinen Bock auf solo Popstar sein, und hatte wieder Bock auf Seeed. Inzwischen glaub ich: Bald hab ich wirklich alles erzählt.

Viele meiner großen Vorbilder, zum Beispiel OutKast, meinten: „We came to fuck shit up.“ Und danach ist es Zeit für jemand anderen to fuck shit up. Da muss man halt auch Platz machen. Ich seh mich nicht mit 70 noch „Schüttel deinen Speck“ singen.

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