Pet Shop Boys: die besten und wichtigsten Alben im Ranking

Das bedeutendste britische Pop-Duo der 80er-Jahre ist auch das bedeutendste britische Pop-Duo der Jetztzeit. Ein Blick auf die Diskografie von Neil Tennant und Chris Lowe

Essenziell

Please (1986)

Die unwahrscheinlichsten aller Popstars: Neil Tennant war bei der Veröffentlichung ihres Debütalbums 32, Chris Lowe immerhin schon 27. Eigentlich zu alt. „Please“ war das Ergebnis von vier langen Jahren der Komposition und Produktion. Tennant kannte das Milieu, schrieb als „Smash Hits“-Redakteur sarkastisch-heitere Texte über die Londoner Blitz Kids. Sein distanzierter Blick auf den Exzess fand eine Entsprechung in seiner bis heute oft nachrichtlich klingen- den Intonation. Er berichtet von seiner eigenen Vorstadtkindheit („Suburbia“), aber auch von Dystopien über ein außer Kontrolle geratenes London – „West End Girls“ war ihre erste Nummer- eins-Single in Großbritannien. Über Reichtum sangen 1986 alle Popstars noch immer, aber die Pet Shop Boys karikierten den Größenwahn mit einem In-your- face-Songtitel: „Opportunities (Let’s Make Lots Of Money)“. Lustigerweise stieg das Lied 2021 wieder hoch in den US- Charts ein, nachdem eine amerikanische Versicherungsfirma es als Werbejingle genutzt hatte. Ob die Pet Shop Boys die Einnahmen gespendet haben?

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Actually (1987)

Vielleicht nicht ganz ihr bestes – aber ihr bedeutendstes Album. Das dramatisch streichernde „It’s A Sin“ ist eine codierte Abrechnung mit der Haltung der Schule und der Kirche zur Homosexualität. Für „What Have I Done To Deserve This?“ wurden aus den zwei In-Boys zwei Fanboys, sie en- gagierten Swinging-Sixties- Ikone Dusty Springfield als Gastsängerin – auch sie war eine Queer-Ikone, genau wie Ian „Gandalf“ McKellen, der im lustigen Video zu „Heart“ den Nosferatu spielt. „Rent“ wiederum wurde als Kritik des Thatcherism verstanden, war jedoch eine eher kleine Story über eine ausbeuterische Beziehung – mit super Refrain.

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Introspective (1988)

Ein Maxi-Versionen-Album mit sechs sehr langen und sehr guten Songs. Eine Schande, dass sie ihr bestes, „I’m Not Scared“, von Eighth-Wonder- Sängerin Patsy Kensit erstveröffentlichen ließen. „It’s Alright“ ist ein schnell gekapertes, aber ehrenvolles Cover, im Original von Chicago-House- DJ Sterling Void. Die Zeilen „But in the back of my head I heard distant feet/ Che Guevara and Debussy to a disco beat“ aus „Left To My Own Devices“ findet sich heute als Motto in unzähligen Hipsterbiografien.

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Yes (2009)

Ein herausragendes … Spätwerk? Nein, die Pet Shop Boys sind ja noch aktiv. Aber es ist ihre bis heute letzte Großtat. Wurde das Duo in den 80er- Jahren vielfach als Chefkritiker der Tory-Partei wahrgenommen, ist dieses Album vor allem eine traurige Bilanz der Arbeit von Labour-Chef Tony Blair, der für den Irakkrieg und das neue Atomwaffenprogramm stimmte. „King Of Rome“ ist ihr wohl traurigstes Lied. „Legacy“, in dem es um gestürzte Regierungen geht, durfte in China nur als Instrumentalversion erscheinen (dabei war China gar nicht gemeint). „Did You See Me Coming?“ wiederum ist pure Pop-Brillanz.

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Lohnend

Behaviour (1990)

„Being Boring“ ist einer der schönsten Songs der Pet Shop Boys: Alterswehmut, frei von Früher-war-alles-besser-Klage. Tennant und Lowe verabschiedeten damit auch die 80er-Jahre – jene Ära, die viele Popmusiker unbedingt hinter sich lassen wollten. Sie alle konnten ja nicht ahnen: Das neue Jahrzehnt würde es ihnen mit dem Aufstieg von Grunge und Hip- Hop schwer machen. Sie engagierten Harold Faltermeyer („Axel F“), der als Produzent nicht gestriger hätte wirken können. Doch war es dieser Bayer, der ihnen eine Zeitlosigkeit schenkte, die 1990 unter allen elektronischen Bands sonst nur Depeche Mode mit „Violator“ genossen. Beide Alben widerstanden den Trends. Die U2-Coverversion von „Where The Streets Have No Name“ (dem Reissue beige- fügt) mischte Frankie Vallis „Can’t Take My Eyes Off You“ dazu. Ein Wink an den schwerfällig werdenden Rocker Bono, mit Pop eine Spielwiese zu nut- zen, aus der man sich Zitate wie Blumen pflücken konnte.

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Bilingual (1996)

Ihr überraschendstes Album. Ganz aus dem Nichts jedoch kam das von brasilianischer Rhythmik beeinflusste, mit portugiesischen Sprachfetzen versehene Werk nicht. Zuvor gelang Simply Red mit dem massiven Getrommel von „Fairground“ ein Hit. Aber der lateinamerikanische Schlager „Se a vida é“, eine optimistische Fortsetzung von „Being Boring“, wirkte gerade im Britpop-Jahr 1996 erfrischend.

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Release (2002)

Johnny Marr verlieh dem Duo einen verspäteten Gitarrenpop-Anstrich, die Pet Shop Boys traten live sogar mit echter Band auf. Außerdem enthielt das Album die Hymne „London“ sowie das unterschätzte Gesamtkunstwerk „Home And Dry“. Das Video von Wolfgang Tillmans zeigte Mäuse in einem U-Bahn-Schacht, Tennant dichtete dazu die magischen Zeilen „There’s a plane at JFK/ To fly you back from far away/ All those dark and frantic transatlantic miles“. Auch die der Wiederveröffentlichung beigefügte Extra-Disc enthält einige Perlen, etwa die Demoversion von „Flamboyant“. Hätten sie den Song 1985 statt 2004 veröffentlicht, er wäre in Großbritannien auf die Eins gegangen. Auch darauf versteckt: das Dusty-Springfield-Cover „In Private“ mit Duettpartner Elton John.

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Ergänzend

Very (1993)

Erst mit Album Nr. 5 gestalteten die Pet Shop Boys ihr bis heute gültiges Image. Kostüme, sperrig wie Möbelstücke, phallische Hüte, humoristische Queer-Hymnen („Go West“), aber auch Lieder zarter Hoffnung wie „Liberation“. Leider entdeckten Tennant und Lowe ab 1993 auch jene Eurobeats, die noch etliche ihrer Stücke planieren würden: „Yesterday, When I Was Mad“. „I Wouldn’t Normally Do This Kind Of Thing“? Ganz im Gegenteil!

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Nightlife (1999)

Mit „Nightlife“ wurden die Pet Shop Boys 1999 endgültig zu Helden der Clubs, dank des Queer-Hits „New York City Boy“, der wie ihr Village-People-Cover „Go West“ klang. Die „Further Listening“-Bonus-CD enthält auch die „Paris City Boy“-Fassung, samt Anmerkung „Full French“. „You Only Tell Me You Love Me When You’re Drunk“ ist der beste Songtitel, den Morrissey sich nie ausgedacht hat.

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Electric (2013)

Ein eher „interessantes“ oder „eklektisches“ als ausgewogenes Werk, produziert von Stuart Price. „Axis“ ist eine echte Techno-Killersingle. Bruce Springsteens „The Last To Die“ zu covern beweist einen Blick auf unterschätzte Songs – aber mit House- Beats funktioniert das nicht so gut.

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Schwächer

Super (2016)

„We were young but imagined we were so sophisticated/ Telling everyone we knew that rock was overrated“, singt Tennant in „The Pop Kids“, je nach Deutung eine Lobpreisung oder ein Abgesang auf die Neunziger, ihr nur zweitbestes Jahrzehnt. Anders als bei „Behaviour“ und anders, als es der affirmative Albumtitel ver- mittelt, scheint hier auch ein wenig Larmoyanz durch. Keine schlechte Platte, aber ihre schlechteste, also: das dreizehntbeste Werk der Briten.

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Film

„It Couldn’t Happen Here“

Eine Musikvideo-Film von 1988 mit Bewegtbildern zu 14 Songs aus „Please“ und „Actually“. Ein Verlegenheitsprojekt, weil die Pet Shop Boys sich weigerten, auf Tournee zu gehen, den Fans aber etwas zum Ansehen bieten wollten (ein Jahr darauf gingen sie dann doch auf Konzertreise). Der Arbeitstitel des Films von Regisseur Jack Bond lautete „A Hard Day’s Shopping“, und viele der Szenen zeichnet tatsächlich beatleske Situationskomik aus: urige Priester, Strandgymnastik, Bed and Breakfasts, Trubel in Telefonzellen …

Preziosen

Outtakes, Rares und Duette

„Hallo Spaceboy“ (Remix)

David Bowie befürchtete, dass sein Industrial-Track in der „Outside“-Albumversion zu aggressiv war, um in den Charts erfolgreich zu sein. Die Pet Shop Boys machten für ihn einen zahmen Schwofer draus. Manchmal reicht es eben nicht, einfach nur den Beat auszutauschen.

„So Hard“ (Remix)

Gipfeltreffen auf den Balearen? Dieser rare Remix dokumentiert zwei Frühneunziger-Größen auf ihrem Höhepunkt. The KLF entreißen der gefühligen Trennungsnummer jede Emotion. Das war, als das Pacha gerade noch so einigermaßen cool war.

„Losing My Mind“

Tennant und Lowe koproduzierten Liza Minnellis 1989er- Album „Results“ – ein echter Coup. Gemeinsam sangen sie dieses Lied aus dem Stephen-Sondheim-Musical „Follies“. Ein Demo davon sowie den Song „So Sorry, I Said“ befinden sich auch auf dem „Introspective“-Reissue.

„What Keeps Mankind Alive?“

Ein staatstragender Titel, wie er eben nicht von den Pet Shop Boys erfunden werden könnte, sondern nur von Kurt Weill und Bert Brecht, im Original „Denn wovon lebt der Mensch?“. Tennant stolziert angemessen näselnd durch das „Dreigro- schenoper“-Stück, ein Plädo- yer für den Sozialismus. Hier mit Vocoder.

„The Crying Game“

Boy George sang 1992 das Titellied von Neil Jordans Kinodrama (das 1964er-Original komponierte Geoff Stephens). Die Pet Shop Boys lieferten den zurückhaltend orchestralen Soundschmelz.

„In Denial“

Die Pet Shop Boys halten an ihren Freunden fest, egal wie ausgegrenzt sie sind, siehe 1992 Boy George. Für diesen „Nightlife“-Song duettierte Tennant mit der wunderbaren Kylie Minogue, die 1999 als less than zero galt.

„Getting Away With It“

Das heißeste Britpop-Projekt von 1991 hieß Electronic. Das Projekt von Bernard Sumner und Johnny Marr gebar nicht nur die Jahrhunderthymne „Get The Message“, sondern zwei Jahre zuvor schon diese schöne Trauerballade mit Neil Tennant als Co-Sänger: „I’ve been walking in the rain just to get wet on purpose …“

„Christmas EP“

2009 veröffentliche Schatz- truhe, darin Coverversionen von „My Girl“ von Madness sowie ein gelungener Mash-up aus „Domino Dancing“ und dem Coldplay-Standard „Viva La Vida“ – Tennant ist sehr gut im (Stadion-)Chorgesang.

 

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