Peace and Love Shack
Das einstige Hippie-Idyll Woodstock erfährt eine Renaissance als Erholungsort für müde Stars. B-52's-Sängerin Kate Pierson hat hier ein Retro-Motel eröffnet
Woodstock, auf uralten Poplandkarten noch als besonders bemerkenswerter Ort verzeichnet, ist heute ein kleines, gemütliches Städtchen mit einer Handvoll Boutiquen, Batik und Feen-Kult und ein paar Cafes, natürlich auch vegan vielleicht ein wenig kitschig, aber das ist Geschmackssache. Was zählt, ist die wunderschöne Landschaft der nahe gelegenen Catskill-Berge – und die liberale Haltung der Bewohner, die immer mehr Musiker, Künstler und Schauspieler aus Manhattan in den nördlicheren Teil des Staates New York lockt. Im Ort können einem etwa Liv Taylor oder Uma Thurman beim Einkaufen begegnen. Und Kate Pierson, Sängerin der B52’s, hat sich dort nicht nur ihr Traumhaus gebaut, sondern verschafft mit einem Retro-Motel auch „Outsidern“ den Einstieg ins neue Woodstock-Erlebnis.
Dabei ist das „Lazy Meadow“ kein Versuch eines Woodstock-Revivals, sondern eine exklusive, phantasievolle Unterkunft, ideal geeignet als Ausgangspunkt für eine Entdeckungstour des heutigen Woodstock. Am Design des Motels waren unter anderem die Künstler Phillip Maberry und Scott Walker beteiligt, deren nur eine Dreiviertelstunde von „Lazy Meadow“ enfernt liegendes Haus schon im Video zum B-52’s-Hit „Love Shack“ eine Hauptrolle spielte.
Als Pierson zum ersten Mal in Richtung Woodstock fahr, war sie eigentlich nur im Schlepptau vom Bandkollegen Keith Strickland, der dort eine Bleibe suchte. „Dann hab ich aber vor ihm was gefunden – und bin vor fünf, sechs Jahren ganz hierhergezogen.“ Das Motel fand sie vor vier Jahren. „Ich war völlig verzaubert“, erklärt Pierson beim Interview unter einem alten Baum auf dem Grundstück des „Lazy Meadow“. „Wenn ich allerdings damals schon gewußt hätte, was man da alles reinstecken muß…“
Die Renovierung des als Investment-Projekt gedachten Motels dauerte ein paar Jahre. Während Lebensgefährtin Monica den handwerklichen Teil übernahm, begann Pierson damit, Design und Dekor zu arrangieren. Ergebnis ist ein eklektischer Retro-Look im Stil der 50er Jahre. „Ich war schon immer ganz verliebt in diese Periode und hatte bereits eine recht substantielle Sammlung, die ich nirgends mehr unterbringen konnte“, erklärt die Sängerin. „Das Haus eignete sich dafür perfekt. Schließlich wurde das Motel 1952 errichtet. Und so kam alles zusammen.“
Neben dem „Lazy Meadow“ hat Pierson gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin im vergangenen Herbst mit der „Lazy Cabin“ ein weiteres erfolgreiches City-Retreat geschaffen. Dabei kommen die wenigsten wegen der alten Zeiten, sondern vielmehr wegen der schönen Natur. Die letzten paar Alt-Hippies, die noch in der Legende leben, sind mittlerweile selbst zu Touristenattraktionen geworden. Das legendäre Festival versuchte man zwar auch ab und zu wiederzubeleben, allerdings mit wenig Erfolg. „Der erste Versuch war noch okay“, erinnert sich Pierson, „der zweite fand auf einem Militär-Stützpunkt statt, und die Leute durften nicht einmal ihr Wasser mit reinnehmen… Aber ich mag die Idee der Woodstock-Legende, und es ist gut, einfach mal weiterzumachen.“
Einige andere Festivals haben sich in der Gegend mittlerweile etabliert, das „Bellcayre Mountain Music Festival“ etwa und das Independent Film Festival“. Und es gibt viel Kunst und Kultur unter dem Markennamen „Woodstock“, ohne daß die Veranstaltungen auch tatsächlich innerhalb der Ortsgrenzen stattfinden. Für die meisten Künstler, die hier leben, ist das verschlafene Städtchen schlicht eine Oase fernab des hektischen City-Lebens, und sie wollen folglich auch in Ruhe gelassen werden. „Viele von ihnen ziehen sich in ihre vier Wände zurück, wenn sie nicht gerade auf Tour oder sonstwie unterwegs sind“, so Pierson, „aber ab und zu treffen wir uns dann doch, etwa für ein Benefizkonzert.“
Auch Pierson selbst genießt die Ruhe: „Hinterm Tresen wird mich im ,Lazy Meadow‘ wohl niemand sehen, aber vielleicht können sie mich dabei ertappen, wie ich im Fluß von Stein zu Stein hüpfe“, meint sie grinsend.
Bald ist aber erst mal Schluß mit der Abgeschiedenheit, denn Pierson arbeitet nicht nur an einem Soloprojekt, sondern auch gemeinsam mit den B-52’s an einem neuen Studioalbum, dem ersten seit 14 Jahren. Gut die Hälfte der Songs sind bereits geschrieben. Voraussichtlich soll das noch unbetitelte Werk im Spätsommer oder Herbst 2006 veröffentlicht werden.
„Die Stücke sind extrem tanzbar“, verrät Pierson.“Man merkt
sofort, daß wir es sind. Alles ist sehr upbeat, aber moderner. Es klingt wie wir, nur wieder auf den allerneuesten Stand gebracht.“
„Wir haben immer mal wieder probiert, neue Songs zu schreiben“, erklärt die Aussteigerin die lange Kreativitäts-Pause der Band. ,Aber das ist so eine Sache, wenn du alles zusammen schreibst da muß wirklich jedes Detail stimmen, jeder muß auf der gleichen Ebene sein und es wirklich wollen. Wir haben alle an verschiedenen Projekten gearbeitet, sind zwar viel zusammen getourt in den letzten Jahren, haben viel live gespielt (mittlerweile ohne Turmfrisur), aber beim Schreiben ist einfach nichts wirklich Weltbewegendes passiert. Außerdem hat Cindy (Wilson) inzwischen zwei Kinder und ist nach Atlanta gezogen. Und das ist ja nicht gerade um die Ecke.“
Das ist wohl auch der Grund, warum das „Lazy Meadow“ nicht zum Treffpunkt für den Schreibprozeß geworden ist. „Einige Stücke werden wir allerdings schon hier in Woodstock schreiben“, sagt Pierson. Schließlich hat sie unweit des Motels, in einer umgebauten Schreinerei ihr eigenes, kleines Studio. „Wir haben die letzten beiden Alben in Woodstock eingespielt: “ Cosmic Thing“ und „Good Stuff“, einige andere haben wir teilweise hier aufgenommen, aber komponieren und schreiben tun wir hauptsächlich in Atlanta, das ist unser zentraler Treffpunkt. Denn Cindy und auch Keith Strickland leben dort. Wir können uns also nicht mehr einfach alle zusammen zurückziehen, jammen, experimentieren, komponieren und schreiben, bis alles perfekt ist, so wie in den alten Tagen.“
Aber wer weiß, vielleicht entsteht ja gerade im „Lazy Meadow“ der nächste große Wurf. Ob der allerdings wieder das Format alter Klassiker wir „Rock Lobster“ oder „Love Shack“ haben wird, steht in den Sternen. Sicher ist nur, daß diese hier im naturbelassenen Woodstock viel, viel heller leuchten als in Atlanta oder New York City. JOSEFINE KÖHN