Payola, Himmelfahrten und Knochen: die Alben der Woche vom 19. Juni 2015
Die Desaparecidos haben ein hoch politisches Album aufgenommen, Everything Everything überzeugen als Popmusiker.
Album der Woche
Desaparecidos – „Payola“
Punkrock ist nicht tot! „If there is anything great left in this sorry state, it was built on the backs of the poor“, nörgelt Conor Oberst zum Rumpeln der Drums und zum Zappeln der Ra-ta-ta-ta-Gitarren. Wenn Mr. Bright Eyes mit den Desaparecidos in Songs wie „Anonymous“ gegen Turbokapitalismus, Konsumterror und Überwachungsstaat wettert, vom Kampf Davids gegen Goliath, von Aufruhr und Widerstand schwärmt, bedient er sich zwar der bekannten Topoi des Politpunk, übersetzt diese aber wunderbar ins Hier und Jetzt:„So we buy and we sell for your corporate cartel/ And we vote when the contestant sings/ A mind control mix for our obedience/ Strong sleep aids and hard energy drinks.“
POLITANKLAGE IM PUNKROCK-GEWAND
„Payola“ liefert die battle hymns für alle, die sich schon einmal an Geldautomaten gekettet, Regierungsgebäude gestürmt, Häuser oder Bankenviertel besetzt haben. Verkleidet als knuffiger Punkrocker verleiht Conor Oberst den 99 Prozent eine Stimme – er wütet charmant gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, als ob er nie etwas anderes getan hätte. (Wenn Oberst irgendwann auf die Idee kommt, Easy Listening zu machen oder sich als Rapper zu versuchen, ist das Ergebnis sicher auch vorzüglich.) Unverschämt lässig verwendet er klassische Punkrock- und Powerpop-Muster („Golden Parachutes“, „Search The Searches“), mischt etwas Hardcore unter („Radicalized“, „Backsell“), macht den Thermals Konkurrenz („City On The Hill“), spielt mal nicht den Introvertierten, sondern das Zoon politikon.
13 Jahre sind vergangen, seit das Desaparecidos-Debüt, „Read Music/Speak Spanish“, erschien. Auch die besten Songs auf „Payola“sind inzwischen nicht mehr ganz neu, wurden bereits nach einer kleinen Sommertour im Jahr 2012 als Singles veröffentlicht. Darunter „The Left Is Right“, das sich mit Protestkultur und Gewaltbereitschaft auseinandersetzt, „MariKKKopa“, das mit den strikten Einwanderungsgesetzen der USA abrechnet, und natürlich „Anonymous“ mit seinen knackigen Punk-Slogans: „Freedom is not free/ Neither is apathy!“ (Gunter Reinhardt, ROLLING STONE, 07/2015)
Weitere Veröffentlichungen:
(…) Everything Everything nennen Radiohead und Destiny’s Child als Bezugspunkte, was ein bisschen kokett und ein bisschen richtig ist. Mitunter klingt die Band auf „Get To Heaven“ wie Radiohead light – oder wie mit urbanem R&B sozialisierter Prog-Rock. Das Spannungsfeld aus süßlichen, ornamentalen Harmonien und informierter Rhythmik funktioniert, der hübsche Falsetto von Jonathan Higgs auch. Man kann das dritte Album der Briten bei Django Django und Alt‑J einsortieren – sobald herrliches Pathos durchbricht, sind wir eher bei Yes (Sebastian Zabel, ROLLING STONE, 07/2015).
Auch fast zwei Dekaden nach der Gründung geht es bei Last Days Of April um das schlichte, schöne Lied, das Karl Larsson in immer neuen Wendungen schreibt: den verzagten Indie-Prä-Grunge-Sound auf der einen Seite, Neil Youngs romantisches 70s-Schunkeln auf der anderen. Das sind auch auf dem neuen Album „Sea Of Clouds“ die musikalischen Pole. Zudem setzen die Schweden bei der Produktion auf klassische Tugenden: Das Album entstand in nur zweieinhalb Tagen. Live und ohne Overdubs, analog only. Wie gut die Band zusammenspielt, hört man zum Beispiel beim extralangen Pedal-Steel-Solo-Jam am Ende von „The Thunder & The Storm“, beim in Zeitlupe seufzenden Titellied und bei dem melancholisch summenden Auftakt, „The Artist“, der auch Wilco gefallen würde. (Jörn Schlüter, ROLLING STONE, 07/2015).
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