Paul Simon: Q&A
Es scheppert nicht, es protzt nicht und es traut sich auch nicht viel. Das neue Album des Paul Simon kann allerdings auch niemanden wirklich enttäuschen.
Zwei Jahre hat der Pedant an gerade einmal elf Songs gefeilt und getüftelt, und wäre ihm das Texten diesmal nicht so unerwartet leicht gefallen, wären wohl mehr als zehn Jahre seit seinem letzten Solo-Album vergangen. Wenn Simon nun, drei Jahre nach seinem Beinahe-Untergang mit dem Musical „The Capeman“ am Broadway, nicht müde wird, sich übers neue Schaffen auch zu freuen, dann darf man dies einen relativen Jubel nennen. Weshalb der mürrische New Yorker das Lächeln auch gar nicht erst erlernt hat und vorsichtshalber nun jedes Interview mit einem 15-minütigen Rapport über die schwierige Entstehung von „You’re The One“ einleitet.
Du hast jetzt ewig lange vom Prozess der Schwerarbeit bis zum fertigen Produkt geredet – bist du ergo tatsächlich der unausstehliche Perfektionist, von dem immer wieder zu lesen ist?
Dieses Prädikat hat nichts mit mir und vor allem nichts mit Kunst zu tun. Perfektion anzustreben hieße, arrogant zu sein und nicht zu wissen, worum es in der Musik geht. Wenn ich gerne alle Noten „in tune“ haben möchte, macht mich das nicht zum Perfektionisten, sondern lediglich zum Musiker.
Du kannst dir nicht vorstellen, ein Album so aufzunehmen, wie’s früher üblich war: in einer dreiwöchigen Session?
Kann ich nicht, nein, will ich auch gar nicht. Für mich ist die Arbeit im Studio eine höchst angenehme Sache- allerdings nur dann, wenn ich das Ergebnis jederzeit wieder ändern und noch mal von vorne anfangen kann. Ich bin halt eher Redakteur als Improvisateur. Diese Methode, unheimlich viel zu spielen, bis hoffentlich irgendwas Unglaubliches dabei herauskommt, das ist nicht mein Ding.
Es gibt Leute, die glauben, du würdest sogar am Humor scheitern, weil sie ihn vergeblich in deinen Songs suchen.
Verstehe ich absolut nicht. Ich habe doch noch nie ein Album ohne Witz gemacht. Er gehört in mein Leben und also auch in meine Songs. Wenn ich singe, ich sei mein Leben lang ein „Wanderer“ gewesen – ach, nein, nicht wirklich, eigentlich hätte ich ja immer in direkter Nachbarschaft zu meinen Eltern gewohnt dann finde ich das schon lustig. Um das zu verstehen, muss man sich doch nicht einmal blöder philosophischer Hintergedanken schuldig machen! Das muss man doch sowieso immer seltener – oder findest du im Pop anno 2000 noch viel Intelligentes?
Interessant, dass diese Frage immer ausgerechnet von den Medien gestellt wird! Aber ganz ehrlich: Die Intelligenz ist nicht weniger geworden auf Erden, sie ist nur aus den Charts verschwunden. Was nichts anderes heißt, als dass man nach ihr suchen muss. Das war allerdings schon immer so, nur hat heute keiner mehr Lust dazu. Und die Medien, das muss ich doch sagen, am allerwenigsten. Mich hält das trotzdem nicht davon ab, die Musik zu einer der mächtigsten Kräfte der Welt zu erklären. Und glaub mir: Vor 30Jahren hätte ich das nicht gesagt!
Bringt dich wenigstens die Tatsache, dass dein Crossover-Experiment „Graceland“ inzwischen Mode ist, in Rage?
Auch hier: Fehlanzeige. Musiker haben immer weiter geschaut. So etwas musste einfach kommen. Und zum anderen verflacht doch längst nicht alles, was einmal zum Mainstream geworden ist! Wenn heute Afro-Rhythmen zum täglichen Brot zählen, dann ist das Anlass zum Jubeln! Auch wenn die Rhythmen vielleicht nur als Zierrat von den Platten ansonsten unbekannter Musiker gesampelt wurden? Das ist oft schade, da gebe ich dir Recht. Aber ich kontere mit meinem grenzenlosen Optimismus: The real thing touches people, die Kopie tut es nicht. Und deshalb müssen wir uns um sie auch nicht kümmern, weil sie irgendwann von selbst irrelevant werden wird.
Was mich viel mehr stört als irgendein geklauter Ton aus Afrika, ist dieser ungeheure Müll, mit dem die Top Ten verstopft werden. Das ist doch Musik, der kein ernst zu nehmender Mensch Beachtung schenken sollte. Schließ die Augen, geh lächelnd vorüber, ignorier diese Produkte – und es wird dir gut gehen!
Hast du das auch 1997, nach deinem Waterloo mit dem Musical „The Capeman“, sogehalten?
Was heißt denn Waterloo? Soll das etwa eine persönliche Niederlage beschreiben? Dass hier ein wundervolles Stück mit höchst talentierten Künstlern versucht wurde – und die Kritiker es einfach nicht gemocht haben? Ich würde sagen: Sie haben es einfach nicht verstanden. „The Capeman“ war seiner Zeit eben voraus. Ich werde es halt in ein paar Jahren erneut versuchen. Ich bin ja aus dem Alter heraus, wo man es eilig hat.