Paul McCartney spricht offen über psychische Probleme der Beatles
Anscheinend hielten Lennon und Co. alle ihre seelischen Probleme unter Verschluss. Sie schwiegen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch untereinander.
Es ist ein wenig bekannter Fakt, dass John Lennons unverwechselbare Stimme, die den Sound der 60er mit Symbolbildern von friedlichen Revolutionen und der avantgardistischen Kraft der Liebe prägte, von diesem selbst verachtet wurde.
Gräbt man länger durch die Literatur, so etabliert sich auf zahlreichen Seiten der Lennon-Biographien das widersprüchliche Bild eines Mannes, der weitaus mehr auf seinen Schultern lasteten ließ als die gelegentlichen Selbstzweifel. Es zeichnet sich der scharfe Schatten einer Idolfigur geplagt von Unsicherheiten und verdrängter Kindheitserinnerungen, von Verlassenheit und emotionalem Missbrauch.
Kunst als Ersatz für einen Therapeuten?
Ein Interview, das Paul McCartney der „The Sunday Times“ gab, suggeriert nun, dass solche Schatten wohl stiller Begleiter aller Beatles-Mitglieder waren. Anstatt offen und ehrlich über psychische Probleme zu reden, verarbeitete insbesondere Lennon seinen Schmerz in seinem künstlerischen Schaffen. Auf die Frage, ob die Beatles Probleme mit ihrer psychischen Gesundheit hatten, antwortete McCartney: „Ja, ich glaube schon. Aber wir sprachen darüber durch unsere Songs.“
McCartney führte weiter aus, dass selbst er die wahre, buchstäbliche Bedeutung ihrer Songtexte erst viel später vollständig erkannte. Dabei muss man dafür nicht ein Mal zwischen den Zeilen lesen. So soll es sich bei dem 1965 erschienenen Hit „Help!“ der Gruppe tatsächlich wortwörtlich um einen Hilferuf handeln: „’Hilfe! Ich brauche jemanden‘, schrieb er (John Lennon). Und ich dachte: ‚Na ja, es ist ja nur ein Lied‘.“
Auch im direkten Gespräch soll der tatsächliche Gehalt ihrer Aussagen oft in einem Treibsand aus Humor versickert sein. McCartney und seine Bandkollegen – Ringo Starr und die verstorbenen John Lennon und George Harrison – machten sich eher über ihre Probleme lustig, als einander ernsthaft zuzuhören. McCartney: „Es war wirklich etwas, über das man sich als Junge eher lustig machte, als dass man es ernst meinte. Und mit Humor hat man sich davor versteckt.“
Über seinen Kollegen und Freund Ringo Starr sagte Macca: „Ringo hatte ein großes Alkoholproblem. Jetzt ist er Mr. Sober of the Year! Sie wissen jedoch, dass wir eine Menge Dinge durchmachen mussten, aber Sie haben Recht – man hat nicht über geistige Gesundheit gesprochen.“
Oft waren die Beatles wohl nicht so glücklich, wie sie hätten sein können. Paul McCartney sprach in dem Interview selbst offen über seine persönlichen Probleme nach der Auflösung der Band. So wurde er lange von Schuldgefühlen geplagt, da er sich für die Trennung verantwortlich machte.
Erst Peter Jacksons kommender Beatles-Dokumentarfilm „Get Back“ beschwichtigte seine Sorgen und brachte McCartney Bestätigung, dass die Trennung der Beatles nicht seinem Fehlverhalten zuzuschreiben sei. Stattdessen zeigte ihm der Film nochmals deutlich: „Es beweist, dass meine wichtigste Erinnerung an die Beatles die Freude und das Können war.“
Paul McCartney: Ende der Beatles hatte etwas Befreiendes
McCartney weiter: „Als sich die Beatles trennten, trafen wir die Entscheidung, die Sache nicht wieder aufzugreifen. Also haben wir mit den Beatles abgeschlossen. (…) Wenn sich der Kreis schließt, ist das etwas sehr Befreiendes; das soll nicht verdorben werden, indem man etwas tut, das vielleicht nicht so gut ist. (…) Es war eine bewusste Entscheidung, es gut sein zu lassen.“
Das Interview stand im Zusammenhang mit der anstehenden Veröffentlichung von „McCartney III“ im Dezember, die seine gleichnamige Plattentrilogie der 1970er Jahre ‚McCartney‘ und 1980er Jahre ‚McCartney II‘ vervollständigt.
Im Lockdown aufgenommen, ist dies die achtzehnte Solo-Veröffentlichung des Musikers.