Patti Smith Discografie
Horses 1975
Jesus died for somebody’s sins, but not mine – der erste Satz auf Smiths Debüt, bis heute wohl ihr bekanntester. Der Song dazu, „Gloria“, zeigt schon das unfassbare Spektrum ihrer Stimme: wispernd, jauchzend, zischend, heulend. Wie die Band sie antreibt, nimmt einen heute noch mit; John Cales trockene Produktion unterstützt die unbedingte Dringlichkeit dieser Songs. „Redondo Beach“ ist eine Art Reggae, „Kimberly“ fast Pop, „Break It Up“ eine beklemmende Hommage an Jim Morrison, mit Tom Verlaine an der Gitarre. Alles ist Poesie, am eindrucksvollsten gelang ihr aber „Land“, dieses halluzinatorische 9:26-Minuten-Stück, das nichts mehr mit gewöhnlichem Rock’n’Roll zu tun hatte. Es war vertonte Dichtung, wahnsinnig und verwirrend. Michael Stipe musste kotzen, als er das Album damals hörte. Vor Begeisterung. (5)
Radio Ethiopia 1976
Unter dem Namen Patti Smith Group veröffentlicht, ist das zweite Album tatsächlich weniger von wilden Improvisationen geprägt als „Horses“. Die manische Kraft weicht einer schleppenden, hypnotischen Spiritualität, Smiths Stimme wird noch tiefer, wieder bringt sie ihr großes Vorbild Arthur Rimbaud unter. Der Titelsong ist eine 10-Minuten-Orgie aus Feedback, Riffs und Gedröhne. Die Plattenfirma war nicht so begeistert. (4)
Easter 1978
Irritierte sie auf dem Debüt mit der männlichen Pose und einer Krawatte, so störte sich bei „Easter“ mancher an ihren Achselhaaren.
Smith dichtete Bruce Springsteens „Because The Night“ in ein Liebeslied an Fred Smith um, es wurde ein Hit. Einiges mag konventioneller rocken, kompakter und simpler, aber Smith das eigene Außenseitertum in „Rock’N’Roll Nigger“ leiernd – weigert sich eben, vorhersehbar zu sein. „I don’t fuck much with the past, but I fuck plenty with the future. (4,5)
Wave 1979
„So You Want To Be (A Rock’n’Roll Star)“ von den Byrds McGuinn und Hillmann interpretiert sie sinnig, und die Smith wollte es wirklich. Todd Rundgren produzierte, na ja: rund, die Musik ist emphatischer Rock, in den Songs hallt Springsteens Gestus nach. Auf dem Cover posiert die Künstlerin hexenhaft als Taubenmutter, sie ist zurPose erstarrt. „Wave“ wird von den Alben der ersten Phase allgemein am wenigsten geschätzt, aber die Stücke sind konzis und ohne Ballast. (4)
Dream Of Life 1988
Die nicht mehr für möglich gehaltene Rückkehr, produziert und inspiriert von Fred „Sonic“ Smith. Bei allem Getöse um die Veröffentlichung gab es kaum einen Rezensenten, der diese hermetische Lyrik begriff. Der Auftakt „People Have The Power“ ist eindeutig und schlicht, aber Liebeslieder wie „Dream Of Life“ und „Looking For You (I Was)“ berühren den Bereich intimster Emotionen. Dazu der Libanon, der Koran, you name it. Musikalisch salbungsvoll und (neben Fred) von Studiomusikern glatt realisiert. (3,5)
Gone Again 1996
Die zweite Wiederkehr, diesmal nach dem frühen Tod von Fred Smith. Fulminant die ersten Stücke des Albums, folkloristisch, alttestamentarisch, das großartige „About A Boy“, das zerrissene „My Madrigal“, unvermutet wütend und rockend „Summer Cannibals“. In der zweiten Hälfte wird es schwer pathetisch und auch larmoyant, es überwiegt die Predigt, das Lamento, die Verkündigung. Die Kritik entschloss sich zur Ehrfürchtigkeit aus Respekt vor diesem Requiem, auf dem Verlust, Vergänglichkeit und Trost lasten. (3,5)
Peace And Noise 1997
Nach Frieden klingt hier wenig, nach Lärm schon mehr. Nüchterner Rock, manchmal ein wenig fahl, oft wütend, selten so betörend wie frühere Werke, aber in seiner musikalischen und sogar lyrischen Direktheit doch wieder faszinierend. „Spell“ zitiert Allen Ginsberg, gewidmet ist das Album dem eben verstorbenen William S. Burroughts. Stipe hat es geschafft: Er darf beim beschwörenden „Last Call“ mitsingen. (3,5)
Gung Ho 2000
Noch mehr Verlust, Politik auch und Suche nach dem Sinn. Die Lieder springen einen nicht gerade an, Gil Norton hat ein bisschen viel produziert. Aber die Stimme reißt die akustischen, langsamen Stücke (erschütternd: „China Bird“) ebenso raus wie die eher einfachen Rocknummern (fast Blondie: „Glitter In Their Eyes“), das Resultat ist trotzdem selten zwingend. (3)
Land 2002
Zum Abschied von Arista ein Doppel-Album: eine CD mit den bekannten (gewiss nicht den besten) Songs, die zweite CD mit unveröffentlichten Stücken, Demos und Live-Aufnahmen. „Dancing Barefoot“, „Piss Factory“, „Rock’N’Roll Nigger“, „Because The Night“ und „Frederick“. Der zweite Teil ist vorwiegend für Kenner erhellend, das Booklet – wieder voller Nekrologe – nicht so opulent, wie es wirkt. (3)