Pasta statt Rasta
Currywurst? Bananenreis? Seeed, Reggae-Brigade aus Berlin, versteht man überall - schon droht der internationale Erfolg
Liegt es an der fehlenden Sonne? Oder daran, daß man „Red Stripe“-Bier inzwischen beim Getränkehändler um die Ecke bekommt und gutes Gras im Park dahinter? Reggae jedenfalls liegt in Deutschland seit Jahren im Trend, und ebenso lange hört der Chef-Botschafter Jamaikas auf den Namen Gentleman. Doch mit ihrem neuen Album „Hext“ rütteln die Mitbewerber von Seeed kräftig am Thron. Die Berliner Truppe, die so viele Mitglieder hat wie eine Fußballmannschaft, setzt dabei auf Humor und undogmatische Spielfreude. Die Shows sind legendär, und mit den Alben „New Dubby Conquerors“ und „Music Monks“ wurden Seeed innerhalb von vier Jahren zu Popstars.
Der karibische Zeitgeist hat dabei sicher ein wenig geholfen, doch der spirituelle Reggae-Purismus Gentlemans ist den Dancehall-Caballeros fremd: „Ich habe bis zu meinem zwölften Geburtstag sechs Jahre lang in Ghana gelebt“, erzählt Frank A. Delle, einer der drei Seeed-Sänger. „Dort habe ich zwar viel Bob Marley gehört, aber nie einen kulturellen Bezug zu Reggae entwickelt, der über die Musik hinausgegangen wäre. Und als ich die Jungs von Seeed kennenlernte, waren das waschechte Berliner, mit Berliner Problemen und Berliner Freunden. Die hatten nie den Anspruch, mit Dreadlocks rumzulaufen und an Jah zu glauben.“
Lustig, daß Delle selbst Dreadlocks trägt, die ihm bis über die Brust reichen. „Ich bin aber nicht religiös und erst recht kein Rasta!“ verteidigt er sich und erzählt von seinem Seeed-Koliegen Pierre Baigorry: „Durch seine roten Haare und die Sommersprossen drückt Pierre am besten aus, daß es uns nicht um Klischees geht, sondern um die Musik. Mit den Jungs kann man noch weit kommen, auch international.“ Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: „Waterpumpee“. mit dem Reggae-Star Antony B. als Gast, war bereits 2002 ein Hit in Trinidad und Tobago, und letzten Sommer spielten Seeed als Headliner auf einer Bühne des Glastonbury-Festivals. „Vor der Bühne war es zunächst fast leer“, erinnert sich Bassist Tobi. „Doch nach dem dritten Song wurde es voll, und zum Schluß haben die Leute mächtig abgefeiert.“ Viele wollten nicht glauben, daß dies eine deutsche Band war.
Feiern und Tanzen ist auch auf dem neuen Album die Devise. Darüber hinaus ist „Next“ auch ein Produkt künstlerischer Basisdemokratie: „Wir haben gemeinsam Teams gebildet, damit alle mitproduzieren können. Anfangs fürchteten wir noch, daß viele Köche den Brei verderben, doch das war unbegründet. Nach sieben Jahren weiß doch jeder von uns, was zu Seeed paßt und was nicht.“ Der Sound orientiert sich am Standard jamaikanischer Produktionen, und die schlanker gewordenen Arrangements wirken klar und punktgenau. Prominente Gäste wie Cee-Lo (auf der Single ,Aufstehn!“) und Lady Saw sorgen für internationales Flair – von den Fans wohl erwartet, aber eigentlich unnötig.
Und selbstverständlich brauchen Seeed nicht die üblichen, palmenschaukelnden Klischees. „Next“ ist ziemlich heißer Stoff, da hat der deutsche Winter so oder so keine Chance.