Parole Brandi: Sammeln Sie die Herzen?
In harten Zeiten braucht man nichts dringender als gute Freunde, findet unsere Kolumnistin.
Heute soll es mal um meine Freund:innen gehen.
Gibt ja viele Menschen, die den eigenen Weg kreuzen. Nicht jeder davon ist bereichernd, aber in meinem Fall ist es tatsächlich so, dass die, die geblieben sind, extrem viel Großartigkeit aufweisen.
Erst gestern wieder war ich auf einem Konzert und zufällig war da auch: ein Freund von mir.
Der Bühnenmensch
Ich liebe das sehr, im Publikum zu stehen und einen Menschen, den ich lange kenne, mit den Augen der anderen zu sehen, die extra hergekommen sind, um ihren Helden zu erleben. Bei jedem Wort, das mein Kumpel auf der Bühne sagte, wurde gekichert und bei jedem Song versonnen mitgesungen.
So verhalten sich verliebte Teenies, dachte ich. Und dann erinnerte ich mich wieder daran, wie ich ihn vor über zehn Jahren kennengelernt und lange nicht so richtig gewusst hatte, was ich von ihm halten sollte, weil es durchaus einen Unterschied machen kann, ob jemand für die Bühne geboren ist oder ob er oder sie sozial und menschlich kompetent ist.
Aber wie der auf der Bühne steht, da bleiben keine Fragen offen. Es gibt Menschen, die mit ihrer Präsenz, ihrem Selbstverständnis und ihrem Sendungsbewusstsein sowas von dermaßen auf Bühnen gehören, dass es buchstäblich egal ist, dass die nicht wirklich Gitarre spielen können.
Gestern bei dem Konzert musste ich an all die weiteren Menschen denken, die in meinem Leben sind.
Die Königin
Eine andere Freundin war lange Zeit die zweite Stimme in einem sehr großen Podcast, ist Internetphänomen und Schriftstellerin und außerdem ein so elegant durch das Leben gleitendes Wesen mit exquisitem Geschmack und der strengsten Nähe-Distanz sowie auch Skin Care Policy, die ich kenne, dass ich mich jedes Mal, wenn ich mich traue, sie anzuschreiben, fühle, als würde ich um eine Audienz bei Ihrer Hoheit bitten. Ihre Worte sind stets so dermaßen treffsicher und messerscharf, dass ich sie gerne öffentlich als Freundin weiterempfehlen würde, wenn ich das nicht aus Datenschutzgründen lassen müsste.
Der Herzensammler
Wieder ein anderer Wegbegleiter von mir schafft es, überall, wo er hinkommt, Kontakte zu knüpfen. Ob er durch die Wüste reist, durch Island fährt oder auf einem Schiff über den Atlantik macht, er wird niemals wiederkommen und sagen: Ach, war schon doof, so ganz alleine. Denn unterwegs sammelt er die Herzen der Menschen ein, egal, wo er sich befindet.
Noch vor einigen Tagen schickte er mir beeindruckend schöne Fotos aus Marokko und meinte, es wäre schon krass, aber Fußball gäbe es einfach auf der ganzen Welt, auch in der Wüste. Fußball und Teenager. Und über alle, die er kennenlernt, spricht er dann anschießend so, als kämen die direkt aus dem hessischen Dorf, aus dem auch er kommt. „Und dann war’n wir da mim Yussuf und m Ahmed und wir ham uns mega verstanden, obwohl ich kein Arabisch spreche und die beiden aber NUR Arabisch sprechen!“
Der Rapper
Dann denke ich an einen anderen Freund, der ebenfalls auf Bühnen steht und rappt, so wie der Freund, bei dessen Konzert ich gestern war. Ich durfte vor einem Jahr mal für ihn seine Show eröffnen und war hautnah dabei, wie sich so eine Crew rund um meinen Kumpel abends verhält.
Ich muss schon sagen, also, diese Rapper, die sind tendenziell ein fahrender Wanderzirkus auf Tour. Es gibt alles, was das Herz begehrt: obszön viel Essen, Schnaps, Zigaretten, unvernünftige Schlafenszeiten, echten Champagner, ein aufblasbares Planschbecken und noch so allerlei, worüber ich mal lieber schweige. Der gut gebaute Bodyguard meines Kumpels schlug abends nach der Show vor, eine Rutsche aus Bierbänken in das Kinderplanschbecken zu legen, bitte noch mehr zu saufen und dabei zu rutschen.
Support-Acts sind, wenn sie zu einer eingeschworenen Gruppe auf Tour dazustoßen, das, was alle, die noch weiter weg stehen, gerne wären, nämlich die Fliege an der Wand. Aus dieser magischen Position heraus verließ ich an besagtem Abend gegen Mitternacht meinen Körper und sah von oben zu, wie tätowierte Männer mittleren Alters eine Bierbank mit Seife einschmierten, steil ins Wasser lehnten und anschließend kreischend in die blubbernde Brühe sausten. Mein Freund der Rapper, das liebe Wesen, schüttelte eine Flasche Schampus wie ein Formel Eins-Fahrer, ließ den Korken knallen und begoss uns alle mit dem Gesöff. Dabei jaulte er selig in den Nachthimmel.
Die lustige Beobachterin
Naja und dann gibt es noch Freundinnen, die neben mir herlaufen wie ein lustiges Fernsehprogramm und von denen ist eine meine geliebte, geehrte und hochgeschätzte Freundin Tossia. Von Tossia stammen die besten Witze und die schärfsten Beobachtungen.
Ich glaube, in einem früheren Leben war Tossia mal sehr reich. Sehr reich und wahrscheinlich adelig. Das mag politisch nicht mehr viel Anklang finden, gibt aber Material für herrliche Kommentare her, wenn sie zum Beispiel aus ihrer angestammten Heimat Düsseldorf nach Berlin reist und einen ganzen Koffer Obst mitnimmt und das auf Nachfrage nur kommentiert mit „Heidelbeeren, weiß ich ja nicht, ob die sowas in Berlin haben…“ oder vorm Bäcker: „Was kost’ so’n Brötchen, dreißig, vierzig Euro?“
Ich hätte wahrscheinlich weniger geliebt, wenn Tossia tatsächlich deckungsgleich mit ihrer, ja, ich darf sagen: Seele tatsächlich eine reiche Erbin wäre, denn gerade die Schere aus Ton und Einkommen macht die ganze Sache erst komisch.
Die Kolumnistin
Und es gibt eine schöne Nachricht für die treuen Leser:innen der „Parole Brandi“:
Ich konnte Tossia überreden, mit mir hier einen Kolumnen-Dialog zu beginnen! Ich habe mir das so gedacht, dass ich ein Thema finde, über das Tossia dann die nächste Kolumne schreiben muss und umgekehrt, gewissermaßen als sich träge dahin schiebender Kolumnen-Podcast (wenn Podcast die neue Kommunikationseinheit ist und wir alles in Podcasts denken).
Liebste Tossia, ich wünsche mir eine Kolumne zum Thema „In einem Paralleluniversum als reiche Frau“.
Ich freue mich so sehr, dass die nächste „Parole Brandi“ eine „Parole Corman“ wird und bin darüber hinaus von Herzen dankbar für all die anderen besonderen, coolen, sensiblen, schlauen, lustigen Menschen in meinem Leben.
Passt gut auf euch auf und nehmt euch in den Arm!