Parole Brandi: Reanimation mit Helene Fischer
Unsere Kolumnistin will endlich den Führerschein machen und lernt etwas über Erste-Hilfe-Playlists.
Manchmal bin ich trotz aller Kritik doch kurz stolz auf „unsere Gesellschaft“. In den eher hässlichen Winkeln, dort, wo Krankheit und Tod zuhause sind, hat sie es manchmal nämlich geschafft, sich den Fun an der Sache zu bewahren.
Jaaaa, ich geb‘s zu, ich habe nie einen Führerschein gemacht. Das sollte übrigens jüngeren Leser*innen und Eltern von Kindern um die 18 Jahre eine Warnung sein: Wenn ihr‘s jetzt nicht macht, ihr macht‘s nicht mehr, ich sag es euch.
Schön auch die Anekdote von dem Wiener Künstler, der mit ungefähr 48 Jahren von seinem Umfeld dazu gedrängt wurde, doch noch seinen Führerschein zu machen und mit langen Zähnen ans Werk ging, bis er eines Tages während einer Fahrstunde an einer Ampel plötzlich den Motor abstellte, aus dem Auto stieg und dem verdutzten Fahrlehrer zuraunte „Des bin i oifach net“ und ging.
Vor dem Führerschein kommt immer der Erste-Hilfe-Kurs
In meinem Leben gab es gewisse Umstände, neu hinzugekommene Interessen und Perspektiven, die mir die Notwendigkeit eines Führerscheins im fortgeschrittenen Alter nochmal neu vor Augen führten. Daher bin ich nun meinerseits in diesem langatmigen Prozess, dieser doofen Verschulung zweier meiner Wochenabende und einem „Sauhaufen Geld“, wie der Schwabe sagt, den ich an eine dieser Fahrschulen (was ein Konzept, Geld verdienen mit Führerschein, es ist so genial) zu entrichten habe.
Für den Führerschein benötigt mensch eine Bescheinigung, dass der berühmte Erste-Hilfe-Kurs absolviert wurde. Und ich dachte mir, warum dann nicht auch gleich einen machen, oder? Dieses ewige Fälschen von wichtigen Dokumenten, es geht mir auf den Wecker, vor allem, weil ich zum Teufel tatsächlich ganz gerne wüsste, was ich zu tun habe, wenn vor mir mal eine Person in einem Autowrack festklemmt. Why not.
Der Erste Hilfe-Kurs fand in einem schäbigen Hotel in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs statt. In einer Art „Konferenzraum“ fand sich eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Menschen ein, die von einer fröhlichen, schwangeren Sanitäterin empfangen wurde. Der Kurs war ganz gut gemacht und ich hatte bald einen stillen Respekt vor dieser Frau. Ich habe Respekt vor jeder Person, die mehr oder weniger frei vier Stunden lang vor einer Gruppe fremder Menschen spricht.
Reanimiation mit Helene Fischer und den BeeGees
Das „Schulische“ an der Sache war etwas anstrengend, aber, wie es das Leben immer so einrichtet, wenn man mit nichts rechnet, kommt oftmals ein echter Knaller um die Ecke.
Ich erfuhr von der freundlichen Frau nämlich folgendes: Um einen Menschen zu reanimieren, ist es nützlich, rhythmisch das Brustbein zu bearbeiten. Denn Rhythmus hilft immer, Kräfte zu bündeln. „Das gängigste Tempo für die Reanimation liegt zwischen 100 und 120 bpm“, erklärte die heitere Kursleiterin. „Das sind dann 100 bis 120 Drücker pro Minute.
Ganz viele Lieder, vor allem ganz viele Hits, haben dieses Tempo. Zum Beispiel „Stayin‘ Alive“ von den BeeGees, „I Will Survive“ von Gloria Gaynor oder „Atemlos“ von Helene Fischer.“ Den Rest des Kurses verbrachten wir also damit, in Höllenlautstärke Helene Fischer zu hören und einen männlichen Gummi-Torso im Takt die gekreuzten Hände aufs Brustbein zu drücken.
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Ich finde es immer richtig rührend vom Leben, wenn es an mich denkt und Musik-Generde unerwartet irgendwo ins Spiel bringt. Natürlich blieb ich in diesem Erste-Hilfe-Kurs inkognito, sozusagen Undercover-Musikerin. Dennoch beobachtete ich fasziniert, wie viele Menschen aus einer wahllos zusammengestellten Gruppe dann doch so gar kein Rhythmusgefühl haben und denen darum, Achtung, eine „Reanimations-Playlist“ beim Üben helfen würde, Leben zu retten, wie unsere Kursleiterin nachsichtig lächelnd bemerkte.
Vom Deutschen Roten Kreuz gibt es eine solche „Reanimations-Playlist“ tatsächlich online. Einfach beim nächsten Unfall laut aufdrehen und im Takt schön feste auf den Brustkorb drücken.
Hurra, music does save lives!