Parole Brandi: Das stumpfe Erbe des Patriarchats
Unsere Kolumnistin gesteht ihre toxischen erotischen Vorlieben. Sie haben etwas mit Rhythmus, Tanzbarkeit und Disziplin zu tun – und mit Oberarmen
Ach Leute, was soll ich euch sagen? Toxische „Ismen“ machen nun mal auch vor erotischen Kriterien nicht Halt. Übrigens auch bei Frauen nicht. Ich bin ekelhaft rassistisch und sexistisch, wenn es um die Auswahl von Menschen geht, auf die ich nun mal stehe. Da hat das Patriarchat bei mir leider ganze Arbeit geleistet.
Nicht nur habe ich beispielsweise eine bisher völlig unerklärliche Vorliebe für Männer mit slawischem Akzent, es gibt noch eine weitere Zielgruppe, die ich grundsätzlich anziehend finde, was ich mal früher hätte bemerken können: männliche Drummer. Steh ich drauf. Und ich weiß, das ist richtig stumpf von mir. Ein lahmes, archaisches Klischee, ein Mann, der auf eine Trommel haut und eine Frau, die davon weiche Knie kriegt.
Dazu möchte ich sagen: Ja und Nein.
Eine Snare ist keine Violine
Teil des Reizes ist natürlich das Instrument selber, diese erdverbundene Tonlosigkeit, die so schön plump daherkommt, weil eine Snare nun mal keine Violine ist. Und ein anderer Teil ist halt, wenn wohlgeformte Oberarme auf die Snare mit einem Stock (uff!) draufhauen. Was war zuerst da, wohldefinierte Oberarme oder wohldefiniertes Drumming?
So oder so würde mich mein Drummer-Kink zu einem ziemlich faden, weiblichen Klischee machen, wenn, ja, wenn ich nicht darüber hinaus zufällig noch Musikerin wäre. Und als solche geht die Sache mit den Drummern bei mir etwas tiefer.
Selbstredend gibt es strenge Dos und Don‘ts, was ein geiler Drummer ist. Ein geiler Drummer sollte zum Beispiel einen Song immer besser machen, wenn er dazu spielt. Entschiedener. Stabiler. Und frischer! Eventuell tanzbarer.
Schlechtes Schlagzeugspiel ist für mich wie schlechtes Teller-Abspülen: Dann kann man‘s auch gleich lassen.
Apropos schlechtes Drumming: Ich persönlich liebe es ja, mich zu überschätzen und ich setze mich unaufgefordert sofort an jedes Schlagzeug und spiele darauf ein bisschen und kann meinem Umfeld eine halbe Minute lang suggerieren, ich könnte sogar das. Die Wahrheit ist: Kann ich nicht. Deswegen hör ich nach wenigen Takten wieder auf damit. Schlagzeugspielen erfordert einfach andere Qualitäten als die, die ich so mitbringe. Leute, die das können, haben mir also etwas voraus. Hot!
Warum Drummer nicht zu spät kommen (sollten)
Drummer müssen jahrelang diszipliniert üben, sonst bleiben sie nicht in time. Außerdem tragen sie während der Dauer eines Songs die volle Verantwortung für dessen Fundament. Wenn die Drums zwischendurch einfach aufhören, hört das Lied auch auf. Stabilität, Souveränität und Disziplin sind einfach Dinge, die ich öfter als nicht bei den entsprechenden Instrumentalist:innen beobachtet habe – mit wenigen Ausnahmen.
Ich habe (kurz) mal mit einem Drummer gearbeitet, der zum Beispiel grundsätzlich zu den Proben zu spät kam, was extrem genervt und ziemlich an meinen Nerven gezerrt hat. Und trotzdem: Die eigene musikalische Farbe auch dieses Typen möchte ich nicht missen.
Der Schlagzeuger meines Duos Me And My Drummer wiederum war ein Vorzeigetyp mit allen oben genannten Qualitäten, selbstverständlich überpünktlich. Sein Spiel war tendenziell verschachtelt, mit einem wie Eischnee untergehobenen Jazz und einer mittelstarken Snare. Ich weiß noch, dass ich es toll fand, nach Jahren zu entdecken, dass der sonst so verlässliche Matze immer an denselben Stellen in einem Stück ein Mü langsamer wurde, einfach, weil die Musik auch ihn wegtrug, weil er eben bei all seiner Perfektheit auch nur ein Mensch war.
Wollzähnig oder fedrig
Schlagzeuger triggern übrigens auch meine Synästhesie. Der ewige Zuspätkommer spielte eher auf eine erdige, wollzähnige Art dem Jazz entgegen, sein Spiel war für mich eindeutig braun-orange-olivgrün, während Matzes Klangwelt für mich fedrig in ihrer Form und farblich irgendwo zwischen metallicviolett, weißgrün und türkis changierte.
Und auch wenn ich mich eigentlich aufgrund meiner ganz globalen Verliebtheit in alle geilen Schlagzeuger nicht entscheiden sollte, ist mein Lieblingsdrummer dann doch Marcel Römer von der Band Juli. Oder um es mit den Worten eines Kollegen zu sagen: „Wenn Marcel spielt, bleiben keine Fragen offen.“ Das finde ich einfach scharf, Entschuldigung.
Und die Oberarme, nun, macht euch selbst ein Bild.