Parole Brandi: Einige Anmerkungen zu „Friends“ und gut gefüllten Konten

„Parole“-Gastautorin Tossia Corman berichtet aus dem Paralleluniversum als reiche Frau

Ich möchte offen und ehrlich damit beginnen, was mir seit der Idee meiner lieben Freundin Charlotte Brandi, wir könnten ja von nun an für eine kleine Weile diese Kolumne als sich „träge dahinschiebendes“ Gespräch führen, durch den Kopf geht.

Zum einen: träge und dahinschiebend sind Attribute, die, glaube ich, auf keinen einzigen zwischen uns jemals geführten Austausch zutreffen. Und außerdem: Wie sollen wir denn glaubhaft vermitteln, dass wir nicht jedes, aber auch wirklich jedes Thema schon einmal gestreift haben? Und uns nun Fragen stellen, die die jeweils andere beantwortet, als wüssten wir nicht sowieso schon alles voneinander? Gerade ich als große Freundin und Verfechterin der Transparenz muss doch, um meinem Ruf gerecht zu werden, offen darlegen, dass wir uns vor seit nunmehr fast zwanzig Jahren (!) in den fernen Niederlanden kennenlernten und seitdem sämtliche Hochs und Tiefs und alles dazwischen miteinander teilen, mal mehr, sehr selten weniger. Wie es zu unserer ersten Begegnung kam, ist eine Geschichte für einen anderen Tag.

Nur soviel – hat was mit Udo Lindenberg zu tun.

Gastautorin Tossia Corman
Gastautorin Tossia Corman

Reichtum vs. Cashflow

Und dann lese ich den Text, in dem du, meine liebste Charlie, dir von mir wünschst, dass ich ein Bild zeichne von einem Paralleluniversum, in dem ich als reiche Frau lebe und wirke, und merke – du kennst mich ja überhaupt nicht!

Ich bin reich. Ich habe nur kein Geld! Und das ist ja wohl bitteschön ein großer Unterschied!

Ja, dass ich meine Heidelbeeren von NRW durch mehrere Bundesländer hindurch mit nach Berlin bringe, mag rich-aunt-spleenig daherkommen, rührte aber tatsächlich von einer (mir zugegeben nicht oft innewohnenden) Sparsamkeit – sind noch im Kühlschrank, kommen mit.

Genau wie meine laut ausgesprochene Überlegung, wie viel so ein Brötchen wohl kostet (siehe ebenfalls letzte „Parole Brandi“). Wenn dir auch einmal am Düsseldorfer Carlsplatz Lakritzkugeln für 49,90 Euro angeboten worden wären, fändest du eine Käse-Salami-Stulle für 25,30 € jetzt auch nicht völlig abwegig.

Die Sache mit dem Reichtum und dem tatsächlichen Cashflow ist ja eine vielschichtige. Vor allem, weil ich erstens sehr selten Lotto spiele, der wahrscheinlich schnellste Weg zum großen Geld. Und außerdem – Leute, ich hab Gesang studiert (if you know, you know!).

Auch, wenn ich durchaus zufrieden bin mit meiner Berufswahl und all den schönen, großen und kleinen Dingen, die ich machen darf, der besagte Cashflow fließt meist an mir vorbei. Und wenn er dann doch mal bei mir landet, gibt’s genug Feste zu feiern, frische Blumen zu besorgen und Alben aufzunehmen. Lang hält der ganz große Geldsegen also meist nicht an.

Heißluftballons und Wellenbadfunktion

Ich bleibe allerdings dabei, dass ich glaube, eine sehr gute, sehr wohlhabende Person sein zu können und mein wo auch immer herrührendes Vermögen so zu nutzen, dass neben mir auch all die, die mir lieb und teuer sind, ohne große Sorgen und Nöte, zumindest finanzieller Natur, leben und wirken können.

Ja, ich würde mir selbst vielleicht einen Heißluftballon anschaffen (ich glaube ja, dass damit meine riesige Flugangst geheilt würde), ja, gegebenenfalls wäre da mein Gesicht drauf. Kann auch sein, dass der Pool mit Wellenbadfunktion dann in meinem parkähnlichen Garten jeden Morgen auf meinen, von einem fröhlichen Juchzer begleiteten, Köpper warten würde… ob ich beim reich-sein Bescheiden wäre, war ja nicht die Frage!

Mein Reichtum spielt sich auf einer anderen Ebene ab. Ich rede von Liebe, Erfahrungen und Erinnerungen. Vom gut gefüllten Konto des Lebens halt. Diesen Reichtum zu teilen, in dem Universum, in dem wir leben, das ist doch die eigentliche Freude. Und in dieser Hinsicht eine gute, reiche Person zu sein, die Herausforderung.

„Friends“ – Nostalgie, oder?

Und speaking of Paralleluniversen:

Ich für meinen Teil bin ja großer Fan davon, abzutauchen in Welten, die fast genau so aussehen wie unsere, aber doch ganz anders sind, weil – ausgedacht. Filme, Bücher, Serien… In echt sehr wohlhabende Menschen spielen teilweise Studierende, Berufsanfänger:innen oder andere „ganz normale“ Personen. Ob die die genau gegensätzliche Idee von sich selber haben? „Also ich könnte auch eine sehr gute durchschnittlich verdienende Person sein“.

Zum Beispiel die Darsteller:innen der vielleicht beliebtesten Serie der 90er- und 00er-Jahre. „Friends“. Die sollen ja am Ende pro Folge jeweils eine Million Dollar aufs Konto bekommen haben. Dafür, dass sie eine Gruppe befreundeter Endzwanziger spielen, die sich Wohnraum, das Stammcafé und auch sonst so ziemlich alles teilen.

Ein Geständnis: Ich hab „Friends“ früher nie geguckt und mache gerade meine ersten Erfahrungen. Aber irgendetwas sträubt sich in mir. Mit diesem Störgefühl bin ich nicht die Einzige, das ist mir klar. Ganze Abhandlungen darüber, dass vieles in der Popkultur nicht gut gealtert ist, gibt es sicher noch und nöcher und das ist auch gut so.

Ich weiß, liebe Charlotte, dass bei dir auch immer mal eine Folge „Friends“ läuft, aus Nostalgie, aus deinem Interesse an der Figur des mittlerweile verstorbenen Darstellers Matthew Perry, vielleicht auch einfach so.

Ross? Schwierig …

Für mich bedeutet das: kann ich auch gucken, wird schon ok sein. Und ist es ja auch, denn die Dinge, die vielleicht heute problematisch sein könnten, sind in der Serie nicht laut und nicht brachial. Aber trotzdem – sie sind vorhanden.

Der wenig diverse Kreis an Personen, um die es sich dreht. Die vermittelten Körperbilder, gerade die der Frauen. Die Art und Weise, wie mit genau diesen umgegangen wird, durch die Bank weg. Und don’t get me started on Ross!

Natürlich hebt jeder einzelne Charakter eine Eigenschaft ganz besonders hervor, auf der dann rumgeritten wird bis zum bitteren Ende. Storytelling und so, schon klar.

Und trotzdem frage ich mich, ob da wirklich ein schon vergangenes Paralleluniversum skizziert wird? Oder ob ich mich deswegen so schwertue, weil vieles auch heute noch aktuell ist, nur vielleicht ein bisschen besser versteckt? Das heutige Körperideal, das sich wieder mehr an dem der 90er orientiert? Die Rollenverteilung, die ich auch aktuell in Beziehungen beobachte? Die Unverbindlichkeit, die eingefordert wird und mit der trotzdem manchmal so schwer umzugehen ist? We were on a break! Und weißt du was? Ich glaube, ja!

Spannend finde ich, dass die einzig vielschichtige, interessante und reale Figur in diesem ganzen Reigen der teilweise schwer aushaltbaren Personen Phoebe ist. Die ja in der Serie als das etwas sonderbare, schlicht-harmlose Anhängsel gezeichnet wird, dessen bewegte und fast tragische Vergangenheit immer mal in Nebensätzen beleuchtet wird. In einem tatsächlich existierenden Universum wäre sie die, mit der ich gerne Zeit verbrächte.

Vielleicht ist sie der Charakter, den es braucht, um die doch sehr eindimensionalen Counterparts „auffliegen“ zu lassen, und das wussten die Serienmacher*innen schon vor 30 Jahren. Phoebe ist sozusagen eine Ahnung der Zukunft, die, die die Eigenschaften der anderen so aufleuchten lässt, dass wir uns heute an ihnen abarbeiten können.

Was meinst du?

Und überhaupt, weil du dich ja, wie schon erwähnt, auch auskennst im großen Friends-Themenpark: Charlotte, welchem „Friends“-Charakter würdest du heute mal gerne so richtig deine Meinung sagen? Ich hab ja einen Verdacht…

privat
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