RS-Interview

Paolo Nutini: „Jetzt fühlt sich alles lebendiger und intensiver an“

Der Musiker über seine Liebe fürs Reisen und den kreativen Prozess hinter seinem neuen Album, bei dem einige seiner Lieder praktisch im Schlaf entstanden oder von Motorengeräusch eines BMWs inspiriert wurden.

Paolo Nutinis neues und viertes Album „Last Night in the Bittersweet“ erschien am 1. Juli 2022. Seit der Veröffentlichung des Vorgängers „Caustic Love“ sind acht Jahre vergangen. Eine außergewöhnlich lange Zeit, zumindest im Vergleich der sonst üblichen ein bis zwei Jahre Abstand zwischen Album-Veröffentlichungen. Auch sonst war es lange still um den Songwriter, er spielt nicht gerne nach den Regeln der Musikindustrie.

Im ROLLING-STONE-Interview spricht Nutini über den Grund für diesen Umstand und unter anderem auch über die ein oder andere ungewöhnliche Inspirationsquelle beim Songschreiben.

ROLLING STONE: Seit der Veröffentlichung deines letzten Albums „Caustic Love“ sind bereits acht Jahre vergangen. Was hast du in der Zwischenzeit erlebt?

Paolo Nutini: Acht Jahre sind eine lange Zeit, deshalb fällt es mir schwer, meine Erlebnisse kurz zusammenzufassen. Ich wollte bewusst etwas Zeit außerhalb des Rampenlichts verbringen und habe eine Weile mit Reisen verbracht. Es hat auch Spaß gemacht, zur Abwechslung einfach bloß für mich selbst zu musizieren.

Auch zwischen deinen letzten zwei Alben („Sunny Side Up“ und „Caustic Love“) hast du bewusst eine Auszeit fürs Reisen genommen. Damals bist du unter anderem durch die schottischen Highlands gewandert und hast dich mit Überlebenstechniken beschäftigt. Warst du diesmal ähnlich abenteuerlich unterwegs?

Ja, klar. 2017 bin ich beispielsweise durch Südamerika gereist. Damals war ich unter anderem in Bolivien und Peru. Dort habe ich auch den Machu Picchu besucht. Es ist immer schön, beim Reisen etwas über unterschiedliche Kulturen zu lernen und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu habe. Während meiner Kindheit in Schottland konnte ich davon bloß träumen. Ich habe das Gefühl, die Zeit gut genutzt zu haben.

In einem anderen Interview hast du erwähnt, dass du stets mit einem Aufnahmegerät unterwegs bist. War das bei der Entstehung von „Last Night in the Bittersweet“ auch so?

Ja, das mache ich immer so. Ich habe immer ein Aufnahmegerät oder mein Handy dabei und nehme damit Ideen und Samples auf. Es ist gut, im Fall von Inspiration vorbereitet zu sein. Manchmal nehme ich auch ganz alltägliche Dinge auf, wie das Geräusch eines Automotors. So entsteht eine Sammlung von Melodien und Ideen, auf die ich stets zurückgreifen kann. Manchmal entsteht aus diesen Fragmenten schnell ein ganzes Lied, aber es kann auch länger dauern. Im Moment arbeitete ich beispielsweise an einem Song, den ich mit siebzehn oder achtzehn begonnen habe.

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Von alltäglichen Geräuschen inspiriert zu werden klingt spannend. Auf deinem neuen Album gibt es einen Song, auf dem der erwähnte Automotor zu hören ist…

Mir sind Besitztümer nicht sehr wichtig, ich gehe lieber schön essen, oder mache eine Reise. Aber ich habe mir vor einigen Jahren einen BMW aus dem Jahr 1972 gekauft. Es macht mich schon glücklich, ihn bloß anzusehen. Im Moment arbeite ich tatsächlich an einem neuen Song, auf dem eine Aufnahme des Automotors dieses BMWs zu hören ist. Zwar nicht sehr prominent, aber wenn man genau hinhört, erkennt man das Geräusch.

Könntest du etwas näher auf den kreativen Prozess hinter dem neuen Album eingehen?

Oft entstehen meine Songs aus den Aufnahmen, die ich mit dem Aufnahmegerät aufzeichne. Gemeinsam mit der Band, oder auch alleine, vervollständige ich diese dann. Aber manchmal träume ich meine Lieder auch. Wenn das passiert, versuche ich immer sofort nach dem Aufwachen zu rekonstruieren, was ich im Traum gehört habe. Auf dem neuen Album war das beispielsweise bei „Children Of The Stars“ der Fall. Ich habe fast den ganzen Song geträumt, inklusive Arrangement. Es ist spannend, wie das Unterbewusstsein im Schlaf weiterarbeitet. Neulich habe ich auch ein Buch über Träume gelesen. Aber ich möchte eigentlich gar nicht so genau wissen, wieso wir träumen. Mir gefällt das mysteriöse daran. Auch gute Lieder und Lyrics sollten meiner Meinung nach etwas Geheimnisvolles an sich haben und Raum für Interpretation lassen.

Gibt es auf dem neuen Album ein Lied, welches dir besonders viel bedeutet, oder welches für dich im Vergleich zu den anderen hervorsticht?

Nicht wirklich. Ich habe die Lieder auf dem neuen Album lange mit mir getragen, sie fühlen sich alle an wie ein Teil von mir. Aber es gibt eines, welches die Band und ich besonders gerne live spielen: „Take Me Take Mine“. Alle in der Band haben ein Stück dazu beigetragen. Ich glaube deshalb macht es besonders Spaß.

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In der Vergangenheit hast du erzählt, dass sich Musik machen für dich zeitweise so sehr nach Arbeit angefühlt hat, dass du den Spaß daran verloren hast. Hast du dich vor der Entstehung deines neuen Albums ähnlich gefühlt?

Musik machen selbst habe ich damit nicht gemeint, aber manchmal fühle ich mich von der musikwirtschaftlichen Seite meiner Karriere überwältigt, zum Beispiel von Promoterminen, oder ausgiebigen Tourneen. Wenn das passiert,, trete ich etwas kürzer, um anschließend wieder hundert Prozent geben zu können.

Wie geht es dir jetzt in dieser Hinsicht?

Mit jeder Show habe ich mehr und mehr Spaß, auch wenn ich mich von großen Menschenmengen trotzdem noch manchmal etwas überwältigt fühle. Aber ich freue mich auf jeden Fall sehr, die neuen Lieder live zu spielen und die Reaktion der Fans zu sehen. Nach den letzten zwei Jahren schätze ich die Möglichkeit auf Tour zu gehen und zu reisen auch noch mehr als zuvor. Es gab Zeiten, als ich dies beinahe für selbstverständlich genommen habe, weil es so eine alltägliche Erfahrung für mich war. Aber jetzt fühlt sich alles lebendiger und intensiver an. Ich bin allen, die meine Musik hören und zu meinen Konzerten kommen sehr dankbar dafür, so etwas erleben zu dürfen.

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