Palastwächter

Neben Camper Van Beethooven und Cracker macht David Lowery nun auch solo Karriere.

Als David Lowery im Jahr 1996 das F.S.K.-Album „International“ in Richmond, Virginia produzierte, war er zwar zu Hause, suchte aber wie Thomas Meinecke nach seiner wahren Heimat. Einen Ort im Kopf, ein weites Land, dessen Grenzlinien nicht mehr gezogen werden müssen, beschrieben beide in ihren Liedern – wenn man sich die Freiheit nahm, die Zeilen der Autoren sorgfältig zu deuten. Der Platz für sich selbst, der niemals gefunden werden kann, beschäftigte David Lowery weiter: „Let’s All Be Someone Else“ nannte er einen Song von Cracker, in einem anderen Text variierte er verzagt Randy Newman: „I’m kissin‘ ass on monday/ Just want someone to hear my song/ It’s lonely at the bottom/ That’s why there’s no-one hangin‘ around.“ Heute hängt Lowery noch immer in Virginia (manchmal aber auch in Georgia) herum, er hat zwei Kinder, einen Wagen, in dem er gerne Built To Spill hört, und eine neue Platte: „The Palace Guards“.

Den Song gleichen Namens, der eine sardonische Warnung enthält („I love you, and ‚cause I do/ Don’t ever leave me/ I’ll smash your stuff up if you do“), mag David am liebsten: „Als ich das gemasterte Album zurückbekam und es mir anhörte, fragte mein elfjähriger Sohn mich, ob das nicht dieses Stück sei, das ursprünglich wie ein Kinderlied begonnen hatte. Und er lag richtig: Dieses Lied hätte gut auf eine Camper-Van-Beethoven-Platte mit subversiven Songs für den Schulunterricht gepasst.“ Die Sache sei etwas kompliziert, aber im Grunde gehe es um einen Superhelden, der sich um einen Job bei der Palastwache bewirbt. Der Spinner verlangt nicht viel als Lohn: ein nettes Wort, eine nette Berührung. Und auch Lowery selbst sehnt sich nach besseren Zeiten, obwohl sich sein Kulturpessimismus in vergleichsweise ruhigen Bahnen bewegt: „Die Siebziger waren eine großartige Zeit für Musik. Nimm einen Song von Cracker oder Camper Van Beethoven: Da gibt es immer eine bestimmte Passage, die in den Zeitraum zwischen 1968 und 1978 gehört. Und der Rest befindet sich in der Jetztzeit.“

Das letzte Camper-Van-Beethoven-Album „New Roman Times“, 2004 nach der Band-Reunion veröffent-licht, war immerhin interessant und jetztzeitig genug, um ordentlich Verkäufe zu generieren. „Gerade arbeiten wir an neuen Stücken“, verrät Lowery, „und der Part, der diesmal zu den Siebzigern gehört, hört sich ziemlich nach King Crimson zur Zeit der ‚Larks‘ Tongues In Aspic‘ an.“ Progressive Rock als tragende Farbe für den sonst meist schmissig-direkten Sound der Beethovens: Man sollte sich geistig schon jetzt darauf vorbereiten.

Die gutmütigen Eseleien und liebgewonnenen Sottisen, die Lowerys Gesamtwerk prägen, werden auch auf der Solo-LP „The Palace Guards“ von verlässlichen Begleitern untermalt: Cracker-Bassist Sal Maida wirkt ebenso mit wie Camper-Van-Beethoven-Gitarrist David Immerglück und die Chormädchen vom legendären Duo September 67, das Lowery einst produzierte. Auf „Big Life“ hat sogar noch der inzwischen verstorbene Mark Linkous mitgespielt. Die Aufnahme, so Lowery, sei jedoch schon einige Jahre alt und zähle somit nicht zu den letzten Dingen, die Linkous erledigte, bevor er sich im März 2010 auf offener Straße ins Herz schoss.

Dass Lowery sogar beim Soloausflug in den Grenzen des gewohnten Umfelds blieb, sagt viel über ihn. Die Sehnsucht nach Privatheit und Abschottung hielt ihn jedoch nicht davon ab, schon vor längerer Zeit den „300 Songs“-Blog zu starten, in dem er auch von der Irak-Reise berichtet, die ihm letztlich den neuen Song „I Sold The Arabs The Moon“ einbrachte. „Ich glaube absolut daran, dass es einen Song entmystifiziert, wenn man ihn erklärt oder über die Entstehungsgeschichte spricht. Deshalb habe ich auch so lange mit dem Bloggen gewartet. Doch jetzt weiß ich, dass sogar das Internet seine privaten Ecken hat. Dieser Blog erreicht doch eigentlich nur den average fan, viel weiter geht das nicht. Ein überschaubarer Orbit von etwa 3000 Leuten. Das bekomme ich gerade noch so hin.“

Solange wir nur den Glauben daran behalten, dass jede Fiktion autobiografisch ist, können wir die tausend Mythen des David Lowery auch selbst enträtseln.

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