Oscar, die legendäre Nervensage
Jerry Seinfeld hat keinen Bock auf den Oscar. „Sie sind nicht da, um Spaß zu haben“, ätzt der Komiker über seine Kollegen im Publikum und lehnt es ab, die „80th Annual Academy Awards“ zu moderieren. „Sie warten nur angespannt darauf, wer welchen Preis gewinnt.“ Schön, dass immerhin die Gäste bei dieser größten Show der Welt mitfiebern. Als Zuschauer am Bildschirm gähnt man nur noch, wenn Hollywood sich vier Stunden lang selbst beweihräuchert.
Der Oscar ist legendär, als amerikanische Marke so bekannt wie Coca-Cola und McDonald’s und löst den gleichen Reflex aus: Man konsumiert wie ein Junkie – und fühlt sich danach irgendwie schlecht. Die Verleihung wirkt, als würde man immer denselben Film sehen. Nicht mal die Hauptdarsteller dieser ritualisierten Inszenierung wechseln. John Travolta kommt auf die Bühne, kündigt mit dürren, bestenfalls launigen Sätzen die nächste Kategorie an und tritt ab. Dann Gwyneth Paltrow ebenso. Tom Hanks. Robin Williams. Julia Roberts. Dazwischen schwenkt die Kamera durch die Sitzreihen im Kodak Theatre. Streep, Nicholson, Spielberg. Leonardo DiCaprio, natürlich auch da. Und häufig sind sie alle auch wieder nominiert. Dann die Dankreden der Gewinner, vielleicht eine Träne, das Orchester lärmt, Abgang stets rechts, und es beginnt von vorne.
Überraschungen sind gar nicht erwünscht von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, vor allem keine negativen. Alles ist abgestimmt und einstudiert. Sogar der „Shame on you, Mr. Bush!“-Ausruf von Michael Moore wirkte wie die einkalkulierte Störung eines bestellten Clowns. Glamour? Die Oscar-Verleihung hat in etwa den Charme einer Betriebsfeier, nur dass dabei fast die ganze Welt zusieht und es keinen Alkohol gibt. Mit den Oscars werden aber verdienstvolle Mitarbeiter ausgezeichnet. Wer am längsten und eifrigsten dabei ist, kann irgendwann zwangsläufig mit einem Goldjungen rechnen. Oder mit zwei. Vielfache Sieger wie „Titanic“ oder „Der Herr der Ringe“ wurden vor allem für die Kraftanstrengung und den kommerziellen Erfolg gewürdigt. Der Regie-Oscar für Martin Scorsese war 2007 das Ergebnis einer Mitleids-Kampagne und der Preis für „Departed“ als besten Film dazu ein Skandal, über den man sich nicht einmal mehr aufregen mag. Er ist schon vergessen wie viele prämierte Werke in der Vergangenheit.
MGM-Boss Louis B. Mayer gründete 1927 die Academy als Marketingstrategie in der ersten großen Krise des Kinos. Auch die Gewerkschaften sollten damit besänftigt werden. So ist der Oscar der einzige Filmpreis, der auch für Make-up oder Tonschnitt ausgelobt wird – was jenseits der Zunft niemanden interessiert und die Veranstaltung Jahr für Jahr unnötig in die Länge zieht. Solange muss der Moderator für gute Stimmung sorgen. Billy Crystal war ideal als pfiffiger, unverbindlicher Stichwortgeber. Der gerne schlüpfrige Chris Rock, Polit-Provokateur John Stewart und das Lästermaul Ellen DeGenres aber mussten sich leider zurückhalten. Niemand hatte Spaß daran. Selbst David Letterman wollte keine spannende Moderation gelingen, er beließ es bei quälend simplen Scherzchen.
Zudem wird die „Oscar-Nacht“ als „Event des Jahres“ immer penetranter totgequatscht. Als noch nicht jede Postille mit abgeschriebenen Prognosen protzte und nicht jedes Klatschblatt sich kreischend mit Infos über Designer-Roben und Klunker der Stars überbot, war die Show zwar nicht besser, aber immerhin die Vorfreude größer. Jüngere werden es trotzdem als Abenteuer empfinden, am 25. Februar die TV-Übertragung zu sehen. Beim ersten Mal ist es noch spannend, beim zweiten vielleicht ebenso. Und auch wir, man kann halt nicht anders, stehen in dieser Nacht wohl wieder auf.