Orchester, Sirenen and Straßenlärm – Soul Coughing zelebrieren die Klangkulisse ihrer Heimatstadt New York
Von Christian Buß
Es ist recht selten geworden, daß New Yorker nette Worte für ihre Heimat finden. Bei Soul Coughing ist das anders. Man muß sich nur einmal anhören, wie liebevoll es klingt, wenn Sänger M. Doughty von seinem Stadtteil Brooklyn schwärmt: „It’s the hood, man!“ Und Schlagzeuger Yuval Gabay ergänzt: „In sogenannten variety shops kriegst du alles, was man zum Leben braucht: Windeln und Pot“ Obwohl die beiden durchaus auch Chinatown zu schätzen wissen: „Wir sind Fans der Filme von Tsui Hark und John Woo“, erklärt Gabay. „Und dort kannst du alle ihre Filme sehen, im Original und ungekürzt. Außerdem darf man im Kino rauchen, und sein Essen kann man auch mitbringen. Da verstehst du, weshalb man sagt, die Chinesen seien uns weit voraus.“
Der Leser ahnt es bereits: Soul Coughing gehören zu einer dieser Bands, die sich stilistisch nicht greifen lassen, deren geistige Heimat aber zwischen den New Yorker Institutionen „Knitting Factory“ und „CBGB’s“ sowie kleinen Clubs wie dem „Under ACME“ zu orten ist. Könnten Soul Coughing überhaupt in einer anderen Stadt arbeiten?
„Unsere Musik ist wie New York“, sagt Gabay. „Wir schätzen die urbane Kulisse, die gegensätzlichen Stile und Geräusche alles am gleichen Ort und alles auf einmal. Das Quietschen der U-Bahn, die Sirenen und dieser freundliche Motorenkrach.“
Wer in dieser Stadt Soul spielt, tut das anders als, sagen wir einmal, in Los Angeles. Oder, um näher beim Namen unserer Helden zu bleiben: Wer hier hustet, hustet mit Seele. Bevor man mich nun als Sozialromantiker beschimpft, höre man sich „Ruby Vroon“, das Debüt-Album von Soul Coughing an. Gabay setzt am Schlagzeug Hip Hop-Akzente, Sebastian Steinberg gleitet behend den Standbaß entlang, Doughty knarzt dazu kehlige Blues-Klagen und schrammelt schroffe Riffs. Die Wucht aber sind M’ark De Gli Antonis Samples. In seinem Keyboard hat er eigene Kompositionen für große Orchester gespeichert, ruft aber auch Straßenkrach oder Swing- und Blues-Klassiker ab. Schon mal gehört, wie es klingt, wenn die Andrew Sisters mit Howlin‘ Wolf singen?
Daß dieser Moloch von Musik nicht schwerfallig klingt, bei Auftritten sogar noch an Dynamik gewinnt, liegt am präzise abgestimmten Spiel von Soul Coughing. Seit zweieinhalb Jahren gibt es die Gruppe, anfanglich traten sie wöchentlich in der Bar des „CBGB’s“ auf. Wer damals durch New York spazierte, kam an ihren Plakaten nicht vorbei „Es war unsere Party. Wir spielten, wie wir Laune hatten.“
„Ruby Vroom“ klingt wie ein Statement zur Ikonographie des industriellen Amerikas, gesprochen aus einer scheppernden U-Bahn. In Doughtys Texten werden alle Mythen des Landes beschworen: Hollywood Babylon und Motor City, die Zentralen des Kapitalismus‘ und der dreckige Kantstein. Diese Topoi, die artifiziellen Elemente und die doch organische Struktur in den Songs erinnern an die jüngsten Filme der Gebrüder Coen. Eine Assoziation, die Doughty akzeptiert. Obwohl: „I love the early shit more!“
Da man gerade beim beim Thema Kino ist, präsentiert er mir seinen ganzen Stolz. Er krempelt die Arme hoch, und auf dem Oberarm prangt fett und feierlich ein Tattoo von Stummfilm-Actrice Louise Brooks. Kommt gut, Mann.