„Orange Is The New Black“: Knast-Koller – Die große ROLLING-STONE-Reportage
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood: Mit der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" haben starke Frauen eine Revolution des Fernsehens angezettelt. Von Mac McClelland
„Big fat butch dyke“
Oder nehmen wir Lea DeLaria, die sich selbst eine „big fat butch dyke“ nennt und in „Orange“ Carrie „Big Boo“ Black spielt. Als ich sie zum Steak-Lunch auf Manhattans West Side treffe, trinkt sie aus einem Wodkaglas, das so groß ist wie ihr quadratischer Schädel. Auch sie erzählt davon, wie sie von der Schauspielerei und von Amerika die Nase voll hatte, ihr Apartment verkaufte und nach London flog, wo sie schon in früheren Jahren als Jazz-Sängerin und Stand-up-Comedienne Erfolge feiern konnte.
Doch kaum war sie gelandet, hatte sie auf dem Anrufbeantworter zwölf Nachrichten von ihrem Manager: Sie solle besser wieder ihren Arsch nach Amerika bewegen, da sie eine Rolle in Jenji Kohans neuer Serie bekommen habe. DeLaria ist 57, war einmal ein katholisches Mädchen aus dem Mittleren Westen, ist heute aber in natura nicht minder krass als in ihrer „Big Boo“-Inkarnation. (Sie erzählt mir beim Essen eine Anekdote über Durchfall, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte.)
Gegen eine Kultur, die in lesbischem Sex nur lächerliche Körperverrenkungen sieht
Vor allem aber ist sie in „Orange“ dafür zuständig, die Vorstellungen über das, was im Fernsehen gemeinhin als „Sexualität“ durchgeht, völlig auf den Kopf zu stellen. „Wie ich es einmal mit dem Dildo treibe – das war schon genial“, sagt sie. „Wo hat man so was jemals gesehen?“ Kohan gibt zu Protokoll, dass ihre Richtlinien für die Darstellung von Sex äußert simpel seien: Je mehr und je drastischer, umso besser.
In der zweiten Staffel etwa gibt es eine Szene, in der „Poussey“ (die auch in Wirklichkeit lesbisch ist) und ihre Freundin verzweifelt versuchen, ihre Muschis gegeneinander zu reiben – bis sie zu der Erkenntnis kommen, dass „dieses Scherending einfach nicht funktioniert“. „Ich hab mich totgelacht, als ich die Szene sah“, sagt DeLaria. Sie schüttelt den Kopf und beklagt eine Kultur, die in lesbischem Sex nur lächerliche Körperverrenkungen sieht. „Was für ein totaler Schwachsinn!“
„Meine politische Position und meine menschliche Situation sind mir wichtiger als alles andere“, sagt sie dann. „Laverne und ich sehen in der veränderten Großwetterlage die Möglichkeit, einige der Positionen zu propagieren, die uns am Herzen liegen.“ – „Also das, was man gemeinhin unter ‚gay agenda‘ versteht?“, frage ich. „Na ja, für Laverne
ist es eine Trans-Agenda, und für mich die Butch-Agenda – was bedeutet, dass ich so viele Mädchen vögeln möchte, wie’s nur irgend geht.“
Wer nun aus solchen Bemerkungen schließt, dass es bei den Dreharbeiten wild zugehen müsse, wird enttäuscht werden. Aduba erzählt, dass Jenji Kohan gleich am Anfang die Devise ausgab: „Wir werden hier kein Beispiel dafür liefern, dass Frauen nicht zusammenarbeiten können.“ Und Leyva zitiert ebenfalls Kohan mit den Worten: „Ich will in meiner Show keine Arschlöcher sehen.“