„Orange Is The New Black“: Knast-Koller – Die große ROLLING-STONE-Reportage
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood: Mit der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" haben starke Frauen eine Revolution des Fernsehens angezettelt. Von Mac McClelland
Sammelsurium von abgedrehten Frauentypen
In der dritten Staffel sind es 14 Figuren, die wir besser kennenlernen – und deren Vorgeschichte ihre kriminellen Vergehen in einem anderen, menschlicheren Licht erscheinen lassen. Wie in der letzten Staffel nehmen die vermeintlichen Nebenrollen so viel Raum ein, dass man Schillings Piper kaum noch als Hauptrolle wahrnimmt. „Die Serie ist gerade deshalb so wunderbar, weil man mit diesem abgedrehten Sammelsurium von Frauentypen konfrontiert wird“, sagt Uzo Aduba, die mit ihren 34 Jahren eine der Schauspielerinnen ist, die ihren Beruf bereits an den Nagel gehängt hatten. Sie spielt in der Serie Suzanne „Crazy Eyes“ Warren – und hatte an ihrem ersten Arbeitstag den Eindruck, als wäre sie auf einer seltsamen Insel gelandet.
Als Kohan die Rolle der transsexuellen Friseurin Sophia besetzte, konnte sie nicht ahnen, dass Laverne Cox damit eine Ikone der amerikanischen Subkultur werden würde. „Ich kann nicht im Kaffeesatz lesen“, sagt Kohan, „aber ich wusste, dass ich eine transsexuelle Person für diese Rolle wollte. Und Laverne war die Beste.“
Am Rande eines Fototermins setze ich mich mit Cox zusammen. Die 31-Jährige sagt gleich ganz offen, dass ihre Meinung zu „Orange“ vielleicht „überzogen und hochgestochen“ klingt. Andererseits arbeitete Cox noch vor drei Jahren in einem Restaurant – heute ziert sie diverse Zeitschriften-Cover und wird in einer CBS-Serie eine transsexuelle Anwältin spielen. „Wir haben das Fernsehen tatsächlich revolutioniert“, sagt sie. „Die gesellschaftliche Vielschichtigkeit, die wir bereits mit dem Pilotfilm etablierten, wäre ohne uns in dieser Form wohl nicht möglich gewesen.“
Fernsehserien mit Transsexuellen liegen eindeutig im Trend
Fernsehserien mit Transsexuellen liegen momentan eindeutig im Trend: Bei Amazon Prime Instant Video begeistert „Transparent“, die manchmal lustige, meist anrührende Geschichte eines Vaters (Jeffrey Tambor), der – schon im Rentenalter – beschließt, fortan als Frau zu leben, was seine egoistischen Kinder gehörig ins Schleudern bringt. Und in „Sense8“, der neuen Netflix-Serie der Wachowski-Geschwister, spielt Jamie Clayton als transsexuelle Bloggerin eine der Hauptrollen.
Laverne Cox wuchs in Alabama auf und lebte dort mit ihrer alleinerziehenden Mutter (die „wie ein Schwein schuften musste“) und ihrem Zwillingsbruder (der in „Orange“ in Flashbacks zu sehen ist und seine Schwester vor ihrer sexuellen Transformation spielt). Sie ging gern tanzen, nähte sich ihre Secondhandklamotten selbst und wurde von ihrem Umfeld schonungslos zur Schnecke gemacht.
Mit elf Jahren unternahm sie einen Selbstmordversuch. Zum damaligen Zeitpunkt, als Transsexuelle in den Medien totgeschwiegen wurden, wäre ihre heutige Karriere völlig undenkbar gewesen. Inzwischen ist sie das Aushängeschild der Trans-Community – und sie weiß, wie wichtig diese mediale Signalwirkung ist, „ ,vor allem in dem imperialistischen, rassistischen, kapitalistischen, weißen Patriarchat‘, wie bell hooks (die afroamerikanische Autorin Gloria Jean Watkins – Red.) es nennt.“