„Orange Is The New Black“: Knast-Koller – Die große ROLLING-STONE-Reportage
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood: Mit der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" haben starke Frauen eine Revolution des Fernsehens angezettelt. Von Mac McClelland
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood
Für den Rest des Teams suchte Produzentin Jenji Kohan indes Gesichter, die noch völlig unverbraucht waren: eine transsexuelle Schauspielerin, die eine transsexuelle Insassin spielt, eine übergewichtige, maskuline Lesbe, die von einer ebensolchen dargestellt wird – und weitere Akteurinnen, die keine Perspektive hatten, weil sie entweder zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood waren.
Kohan, nach dem Erfolg ihrer Serie „Weeds“ eine der angesagtesten Macherinnen im US-Fernsehen, ist 46, trägt Brille und regenbogenfarbene Löckchen – und ihr bedeuten namhafte Stars ebenso viel (oder ebenso wenig) wie die vielen Preise, die „Orange“ bereits eingeheimst hat. „Was zählt, ist allein die Tatsache, dass Leute die Serie sehen, von ihr begeistert sind und über sie sprechen. Der unvermeidliche Reigen der Preisverleihungen geht mir am Arsch vorbei. Und was die Besetzungen der Rollen betrifft, so bin ich eine überzeugte Verfechterin der natürlichen Selektion durch Auditions: Für jede Rolle gibt es einen Idealkandidaten – wobei der Bekanntheitsgrad überhaupt keine Rolle spielt. Ich suche nach Schauspielern, die sich der Figur unterordnen, nicht umgekehrt.“
Das Resultat ist eine Serie, die nicht zuletzt wegen ihrer gesellschaftlichen Bandbreite gefeiert wird. Wobei Kohan offen zugibt, dass sie Schillings weiße Protagonistin gezielt als Köder benutzte, um überhaupt einen Fernsehsender für „Orange“ zu interessieren. Und es sollte nicht ihr einziger Trick bleiben: Mit den geballten Talenten ihrer weiblichen Parias konfrontiert sie das Publikum mit einer Bevölkerungsgruppe, die in unserem Bewusstsein sogar noch weitaus stärker marginalisiert wird als Schwarze: den Häftlingen.
„Unser gesamter Strafvollzug ist außer Kontrolle“
Kohan, deren Eltern in der Entertainment-Branche tätig waren, sieht einen Reformbedarf denn auch nicht nur in der Unterhaltungsindustrie. „Unser gesamter Strafvollzug ist außer Kontrolle“, sagt sie. „Er ist eine einzige peinliche Zumutung – etwas, auf das man später einmal mit den Worten zurückblicken wird: ,Was zum Teufel haben wir uns bloß dabei gedacht?‘ Es ist ein Thema, über das wir gemeinsam sprechen müssen – und ich bin dankbar, wenn ich diese Unterhaltung auf den Weg bringen kann. Wobei ich die Letzte bin, die von ihrem hohen Ross Moral predigen will. Ich möchte unterhalten – das ist meine Form von Aktivismus.“