„Orange Is The New Black“: Knast-Koller – Die große ROLLING-STONE-Reportage
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood: Mit der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" haben starke Frauen eine Revolution des Fernsehens angezettelt. Von Mac McClelland
Immer nur die Geliebte oder die beste Freundin
Sympathisch oder nicht: Piper war genau das, wonach Schilling suchte. In eine Akademikerfamilie in Boston geboren, studierte sie Kunst, brach ihr Studium aber ab, um sich als Schauspielerin zu versuchen. Sie bekam auch Rollen – in der Serie „Mercy“ etwa oder in „Argo“, selbst in dem Herzschmerz-Drama „The Lucky One“, in dem sie mit Mädchenschwarm Zac Efron unter die Bettdecke kriechen musste. „Ich wollte aber Drehbücher, an die ich wirklich glauben konnte“, sagt sie. „Die Rollen für Frauen sind nun mal oft nicht mehr als Anhängsel männlicher Rollen: Man ist immer nur die Geliebte oder die beste Freundin – und nie das Zentrum einer eigenständigen Entwicklung.“
Sie fasste den Entschluss, derartige Rollen künftig abzulehnen – selbst wenn das bedeutet hätte, ihre Leinwandkarriere frühzeitig zu beenden. Sie spielte mit dem Gedanken, sich lieber bei einem kleinen Theater zu bewerben, zog sich aber erst einmal ins Haus ihrer Großmutter in Maine zurück, um ihre Wunden zu lecken und ihre Optionen zu bedenken. „Das Lustige ist ja: Gerade wenn man alles hinwerfen will, tun sich plötzlich die Türen auf“, sagt sie. „Ich hatte kaum noch Drehbücher gelesen, aber meine Agentin meinte: ,Das ist wirklich ein Superstoff‘ – und sie hatte recht. Diese Piper Chapman hat so viele verschiedene Facetten, dass sie sich nicht auf ein Verhaltensmuster reduzieren lässt.“
Frauen die morden, ficken, sich verlieben, sich gegenseitig Mut machen, intrigieren und masturbieren
Und genau das ist der Grund, warum die Adaption von Piper Kermans Memoiren über ihre Erlebnisse im Frauengefängnis nicht nur eine erfolgreiche Fernsehserie, sondern auch ein historischer Meilenstein ist: Es sind tatsächlich Frauen, die hier im Mittelpunkt stehen, Frauen, die nicht den ehernen Gesetzen des Showgeschäfts folgen, Frauen, die nicht mit anderen Frauen über ihre Probleme mit Männern reden, sondern morden, ficken, sich verlieben und sich gegenseitig Mut machen, intrigieren und masturbieren – und vor allem in einem Gefängnissystem in Verhältnissen leben, die wir gewöhnlich aus unserem Bewusstsein verdrängen.
Dass diese Frauen fast ausnahmslos von Schauspielerinnen verkörpert werden, die wir nicht kennen, macht die Serie nur noch glaubwürdiger. Die Ausnahmen sind Schilling und natürlich Laura Prepon, die wir acht Jahre lang als kecke Donna in „Die wilden Siebziger!“ sahen. In „Orange“, wie die Serie von allen Beteiligten nur noch genannt wird, ist sie Alex, eine dominante, durchtriebene Gelegenheitslesbe, die sich mit Piper die Matratze, die Manipulationen und die keifenden Eifersuchtsszenen teilt.
Mit 32 Jahren hatte sich Prepon innerlich bereits vom Fernsehen verabschiedet, um verstärkt Filme zu drehen, machte nach der Lektüre des Drehbuchs aber gleich einen Rückzieher. Sie bot sich sogar selbst für eine Probe an, wobei sie zunächst für die Rolle der Piper vorsprach. „ ,Orange‘ “, sagt sie, „hat meine Einstellung zum Fernsehen grundlegend verändert. Viele der Filme, die ich momentan sehe, sind auch längst nicht so gut wie das, was ich hier jeden Tag mache.“