„Orange Is The New Black“: Knast-Koller – Die große ROLLING-STONE-Reportage
Zu alt, zu schwarz, zu lesbisch oder zu gewichtig für Hollywood: Mit der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" haben starke Frauen eine Revolution des Fernsehens angezettelt. Von Mac McClelland
Piper Kerman, die echte Piper
Ich treffe Piper Kerman, die echte Piper, in Washington, wo sie sich in ihrer freien Zeit für eine radikale Gefängnisreform starkmacht. Sie lebt in Columbus/Ohio und veranstaltet dort in zwei Strafanstalten Kurse für kreatives Schreiben, ist aber heute in der Hauptstadt, weil sie die Hauptrednerin auf einer Spendengala ist. „Die Serie“, sagt sie, „propagiert auf ihre Weise die gleichen Ziele, die ich in meinem Vortrag fordere.“ Es ist eine glückliche Parallelität der Ereignisse, dass sich die Meinung einer Aktivistin (mit eigener Knast-Erfahrung) und die aktivistisch angehauchte Fernsehserie einer arrivierten Produzentin so prächtig ergänzen.
Die echte Piper hat mit Schillings Piper übrigens erstaunliche Ähnlichkeit. Bei der Gala der Organisation Voices for a Second Chance, die sich vor allem um die Reintegration von Häftlingen kümmert, macht sie in ihrem türkisblauen Kleid und ihren High Heels eine blendende Figur. Alle Augen sind auf sie gerichtet, als sie über die Aussichtslosigkeit der 700.000 Häftlinge spricht, die jedes Jahr das Gefängnis verlassen.
Schraubenzieher als Dildo
Sicher, „Orange“ ist keine Dokumentation, die vor Ort mit echten Häftlingen produziert wird. Und im Lauf der Jahre hat sich die Serie auch immer weiter von den Erfahrungen entfernt, die Kerman in ihrem Buch beschreibt. „Wie etwa die Sache mit dem Schraubenzieher“, sagt Kerman, die die TV-Macher aber immer noch als Executive Consultant berät. „Der Schraubenzieher“ – der gestohlen und in einen Behelfsdildo umfunktioniert wird – „taucht in meinem Buch zwar auch auf, bekommt in der Folge aber einen ganz neuen Dreh. Wobei ein Buch dem Lesernatürlich auch die Möglichkeit zur Selbstreflexion gibt und einen inneren Konflikt so sublim beschreiben kann, wie es auf dem Bildschirm gar nicht möglich ist. Eine Serie, die das nachzuempfinden versuchen würde, wäre todlangweilig. Das Fernsehen braucht externe Konflikte.“
Die Frage sei nicht, ob das Material fiktiv ist – was zum überwiegenden Teil zutrifft –, „sondern ob die Zuschauer diese Inhaftierten als Menschen wahrnehmen – und erkennen, dass diese Menschen genauso interessant und wertvoll sind wie andere auch“.