Olympia und DJ Culture: Von der Blockparty zur Goldmedaille

Mit den Wettkämpfen im Breakdance wird HipHip zur sportlichen Disziplin. Im Interview verrät DJ Fleg, wie er in der großen Arena den Flow hält.

Die DJs stehen beim Breakdance im Hintergrund. Doch ohne ihre Sounds wäre es kaum möglich, eine ehemalige Underground-Kultur zur olympischen Disziplin zu machen.

Der ehemalige B-Boy DJ Fleg ist einer von zwei DJs, die beim olympischen Debüt auf dem Place de la Concorde an den Reglern stehen. DJ Fleg teilt sich den Job am Mixdeck mit dem polnischen Kollegen DJ Plash für den Wettbewerb der Frauen am Freitag (09. August) und den der Männer am Samstag (10. August).

Fleg war mit Talib Kweli und DJ Q-Bert international auf Tour. Er ist Mitbegründer und Produzent des Labels Soul Movement Records. In seiner Heimatstadt Baltimore veranstaltet er Partyreihen wie „4 Hours of Funk“. Der heutige Brooklyner steht für einen souligen Sound. Er mischt Funk-, Disco- und Boogie-Einflüsse. Er gibt B-Boy-Kurse und engagiert sich in der lokalen Breakdance Community.

Wie schätzt Du als alter Hase die Stimmung in der Szene ein: Ist Olympia-Breakdance akzeptiert?

Die meisten finden es ok, nach dem Motto: „mal sehen, wie es läuft“. Einige ältere Tänzerinnen und Tänzer, die Pioniere des Undergrouns, waren immer schon dagegen – sie mochten die Idee einfach nicht und wollten nichts damit zu tun haben. Aber das ist nicht die Mehrheitsmeinung. Die meisten Jüngeren unterstützen es. Für manche mögen auch finanziellen Aspekte eine Rolle spiele. Einige waren bereits raus aus der Szene und haben gesagt: „Erinnert ihr sich an mich? Ich würde gerne bei Olympia mitmachen“. Andere unterstützen die Sache, aber wollen selbst im Hintergrund bleiben. Insgesamt ist die Stimmung positiv, man wünscht sich Erfolg und hofft auf das Beste.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Wie hat sich Breakdance weiterentwickelt?

Die Breakdance-Community ist schon lange eine globale Angelegenheit, somit sind die Olympischen Spiele nur konsequent. Gerade für uns Amerikaner wirkt es wie ein Schock, dass in Europa Tausende von Menschen Breakdance-Treffen besuchen, vor allem in Frankreich und Deutschland. In den USA sind solche Fangemeinden eher selten. Viele halten es dort für ein Phänomen der 1980er und haben gar nicht mitbekommen, wie populär es international geworden ist.

Wie legt man im Rahmen einer Olympischen Qualifikationsreihe Platten auf?

Die DJs auf den Blockparties legten Platten hintereinander auf, so dass es weder Anfang noch Ende gab. Die Platten gingen nahtlos ineinander über. Diese Tradition setzt sich auch bei Wettkämpfen fort, bei denen es mehrere Runden gibt und jeder Tänzer und jede Tänzerin mehrmals auftritt. Bei diesen Battles braucht man für jede Runde andere Songs. Man kann nicht einfach sagen: „Okay, hört mal alle auf, während ich mein iPad, meinen iPod oder Spotify neu durchmische“. Die Musik muss nahtlos von einem Titel zum anderen übergehen. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dieser Aspekt der ursprünglichen Kultur auch beim Wettkampf-Breaking erhalten bleibt. Bei den Gangster-Rap-Nummern mit allzu derben Reimen wäge ich ab: Muss das sein? Hilft das dem Wettbewerb? Normalerweise stört mich das nicht, zumal diese Art von Lyrics in jedem Fall dazu gehören. Auszusuchen, was akzeptabel ist, erscheint mir etwas willkürlich. In diesem Zusammenhang verstehe ich jedoch die Gründe, z.B. Familien und ihre Empfindlichkeiten. In dieser speziellen Situation werde ich mich also bemühen, es zurückzunehmen. Aber im Allgemeinen zensiere ich nicht.

Wie wählst du die Musik bei den einzelnen TeilnehmerInnen aus?

Ich mache meine Musikauswahl nicht vom Geschlecht des Breakers abhängig. Manche DJs sehen das anders und die Lager sind sich da auch nicht einig. Viele B-Girls unterstützen meine Haltung, sie wollen nicht, dass ich da etwas ändere, nur weil sie Frauen sind. Natürlich kann es Unterschiede in den körperlichen Fähigkeiten geben, ähnlich wie bei vielen anderen Sportarten, wo bestimmte Bewegungen für Frauen eine besondere Herausforderung darstellen. Aber das hat sich im Laufe der Zeit deutlich weiterentwickelt – die Kluft zwischen B-Boys und B-Girls hat sich erheblich verringert, was fantastisch ist. In einem Battle gibt es mehrere Runden, in einem System der Top 16 oder Top 8. Wenn ich jemandem einen Vorteil verschaffen will, spiele ich manchmal einen Stil oder einen Song, von dem ich weiß, dass er oder sie ihn mag, vielleicht etwas Funkiges, etwa einen James Brown-Song. Das geht aber nur, wenn es den Flow passt.

Gibt es eine Dramaturgie?

Nicht wirklich. In der nächsten Runde wähle ich einen Titel aus, der sich gut zum Breaking eignet und für den Wettbewerb relevant ist. Das ist nicht völlig willkürlich, aber auch nicht auf den Stil der Finalisten zugeschnitten. Es ist eine Herausforderung, wie man da die Kurve kriegt. Bei Olympischen Spiele werde ich persönlichen Musik-Vorlieben sein lassen. Unterbewusst kann das trotzdem passieren. Wir DJs prägen ja auch die Gesamtstimmung der Veranstaltung – nicht nur für die Tänzer, sondern für das gesamte Umfeld. Ich spiele zwar nicht Taylor Swift, nur weil es jemandem in der Menge gefallen könnte, aber ich möchte, dass alle mitgrooven.

Welche drei Sounds vermitteln Stimmung und Kultur des Breaking?

„It’s Just Begun“ von Jimmy Castor ein klassisches Beispiel aus den Anfängen. Diese Songs waren wahrscheinlich schon vor Breakdance bekannt, haben aber die Bewegung mit ihrem Hype und den energiegeladenen Funk-Rhythmen, einschließlich der wichtigen Drum-Breaks, stark beeinflusst. Eine neue Phase begann mit dem HipHop der 1990er Jahre. Dabei handelte es sich um neue Tracks, mit vielen Samples von damals. Beispiele hierfür sind Tracks von DJ Premier von Gang Starr wie „DWYCK“ oder „Code of the Streets“. Dazu Tracks wie „Scenario“ von A Tribe Called Quest. In der neueren Kategorie gibt es neuere Arbeiten von DJ Premier und anderen. Das sind Songs, die speziell für Tänzer entstanden sind. Das ist eine Fusion von den Funk-Roots bis zu den heutigen Electro-Entwicklungen, Ich selbst habe da auch einige Tracks gebastelt, die man auf Spotify finden kann.

Die Fragen stellte Juste Survilaite

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates