Olli Schulz live in Berlin: Als Konzerte noch richtig groß waren
Olli Schulz ist Liedermacher, Geschichtenerzähler, Unterhaltungskünstler. Das Abschlusskonzert seiner Tour im Berliner Tempodrom vereint laute Späße und leise Töne.
Wer ein Konzert von Olli Schulz besucht, bekommt nicht nur Musik. Er bekommt den Typen Olli Schulz, so als würde man sich abends mit ihm auf ein Bier in seinem Wohnzimmer treffen, er auf der Gitarre klimpern, zwischendurch aberwitzige Anekdoten erzählen, sich urplötzlich in Rage reden, in Gelächter ausbrechen, nur um dann im nächsten Moment von Weltschmerz beschlichen zu werden.
Das Wohnzimmer ist in diesem Fall das randvolle Tempodrom am Mittwochabend. „20.30 Uhr, wir fangen pünktlich an – Schluss mit Rumhängen!“, ruft Schulz vergnügt, als er die Bühne betritt, und man spürt an seiner Präsenz, dass er nicht nur Singer-Songwriter ist, sondern auch Radio- und Fernsehmoderator. Er hat Bock, seine fünf Bandmitglieder haben Bock. Unter ihnen ist kein Geringerer als Gisbert zu Knyphausen, der „Womanizer am Bass“, wie Schulz einräumt, dessen Namen Mädchen aus der letzten Reihe immer wieder kreischen. Keine Hipster in Sicht, nur lauter Normalos mit wonnigen Gesichtern.
Das Programm ist so launisch wie der Künstler selbst
Einen stimmigeren Opener als das unbekümmerte „So muss es beginnen“ samt Konfetti-Regen und Luftschlagen kann es kaum geben. Das Programm der folgenden zweieinhalb Stunden ist so launisch wie der Künstler selbst: Da wechselt die Ballade über Vergänglichkeit sich mit einem Fragment über einen Besuch in der Senioren-Sauna ab, da kickt er bei dem Ulk-Stück „Spielerfrauen“ munter Riesenluftballons in die Menge, nur um hinterher zu motzen: „Die Bälle nerven derbe ab!“ Daraufhin lacht er sich selbst aus und schaltet im nächsten Moment auf das schwelgerische „Als Musik noch richtig groß war“ um – ein Höhepunkt des Abends.
In dem Sammelsurium finden sich einige Lieder seines neuen, feinen Albums „Feelings aus der Asche“, ältere überwiegen – und man fragt sich, ob das eine oder andere Stück zugunsten eines roten Fadens verzichtbar gewesen wäre. So hatte die Darbietung bisweilen eher den Charakter einer Jam-Session als eines Konzerts – doch deshalb liebt man Olli Schulz: wegen des Unfertigen, des Unvermittelten, des Unprätentiösen. Er rappt freestyle bei „Passt schon!“, lässt seine charismatische Gitarristin Kat Frankie „What’s Love Got to Do With It“ von Tina Turner singen, während er dazu Playback mimt, steigt herunter in die Menge, ruft „Fass mich an!“ und entfacht einen Moshpit.
Schulz haut eine Anekdote nach der anderen heraus: wie Klaus Meine von den Scorpions einen Schnappschuss mit ihm machen wollte, wie ihn Rentner bei seinen Vorstellungen auf der „Queen Mary 2“ mit Ignoranz straften oder wie sein Kumpel Tausend-Mark-André immer mehr Geld hatte als er. Das Beleidigen von Publikum („Beschwer dich doch bei Facebook! Ich lösch’ das dann“) und Promis („John Mayer is’ so ein Spasti“) ist Koketterie und gehört zum Repertoire.
Sensible Künstlerseele und Kalauer-König sind kein Widerspruch
Schulz kann kaum etwas unkommentiert lassen, macht aus nichts einen Hehl, auch nicht, dass er kein herausragender Sänger ist. Seine saloppe Vortragsweise könnte man ihm vorwerfen, wenn man denn unbedingt muss, falls man Geplauder bei Konzerten nicht leiden kann oder ein Musikstudent ist, der Zwölftonmusik auf Vinyl hört und dem diese Sause zu wenig ernsthaft ist. Aber es ist genau diese saloppe Art, die Olli Schulz derzeit so beliebt macht.
Wer in ihm nur den Blödel-Barden und Fernseh-Quatschkopp sieht, lässt außer Acht, welch liebliche Melodien er da hervorbringt, wie etwa in “Ich dachte, du wärst es“, wie gedankenreich seine Texte bisweilen sind, wie etwa im großartigen „Boogieman“. Sensible Künstlerseele und Kalauer-König sind kein Widerspruch. Zum Abschluss regnet es noch einmal bunte Schnipsel. „Vielen Dank, dass ihr mir so ein gutes Gefühl gebt!“, sagt Schulz voller Demut.