Ohren auf statt Ohren ab
Louis XIV wollen ihren Ideen freien Lauf lassen und sich dafür viel Zeit nehmen - mehr als van Gogh
Jason Hill mag nicht, daß alle Welt in dem Debüt seiner Band Louis XIV bloß den Sex sieht und alles aufs Schlüpfrige reduzieren will, aber er hat selbst Schuld daran. Ein indiziertes Video, eine nackte Frau auf dem Cover und sehr viel Ejakulationslyrik lassen einem kaum eine andere Wahl als die, den Retro-Glam-Rock von „The Best Little Secrets Are Kept“ als musikalischen Ausdruck jugendlichen Hormon-Überschwangs zu verstehen.
„Es geht nicht um Sex“, widerspricht Hill also, „die Frauen, der Rausch, die Partys — ich könnte darauf sofort verrichten. Wir haben uns zusammengetan, weil wir alle eine riesige Leiden-Schaft fürs Aufnehmen und Experimentieren im Studio haben. Wir sind eine recording band.“ Damit ist man beim Thema. Hill kann stundenlang dozieren über uraltes Equipment und die traditionelle Kunst der Klangabbildung, deren Dogmen gelegentlich ins Religiöse gehen. Daheim in San Diego hat Hill u.a. schon für Mando Diao produziert und über die Jahre kaum das Sonnenlicht gesehen, der großen Tüftlerliebe wegen. Auf der ersten Platte von Louis XIV klingt alles entsprechend analog und nach Bandmaschine.
Alles begann übrigens eines Abends auf der Veranda. „Ich hatte gerade meine ersten zwei Akkorde gelernt und nahm mit einem Freund unser erstes Lied auf — auf einem Kassettenrekorder, der so rum stand“, erinnert sich Hill und wird darüber ganz freudig erregt, „wir waren zu nah am Mikro, und die Aufnahme verzerrte, was unsere Stimmen plötzlich viel besser klingen ließ. Die Batterien waren alt und das Band eierte – ein toller Effekt für Gitarren. Außerdem blieb beim mehrfachen Überspielen immer ein Rest vom vorigen Take, und es entstand eine total seltsame Atmosphäre. So viele Möglichkeiten! Von da an hatte ich nur noch eins im Kopf.“ Mittlerweile kann Hill viele Akkorde, hat seine Fertigkeiten mit der Klangmanipulation eifrig verfeinert und konnte nun die besten Aufnahmen der ersten zwei Jahre Bandhistorie für das Major-Debüt von Louis XIV zusammenstellen.
Wie der subversive, anzüglich geifernde Glam auf „The Best Little Secrets Are Kept“ anmaßend poltert, daß erinnert viele an T. Rex, aber auch das paßt Jason Hill nicht. „Hat Bowie etwa nur Glam-Rock gemacht? Waren Led Zeppelin eine Heavy-Metal-Band“, fragt er rhetorisch, „das ist doch alles ganz falsch. Es geht darum, eine vollständige künstlerische Person zu sein und Musik zu schaffen, die diese Person zum Ausdruck bringt.“
An der Erfüllung dieser Mission will Hill sich übrigens auch durch übervolle Tourpläne nicht hindern lassen.“Ich werde die Notbremse ziehen, wenn ich das Gefühl habe, nicht genug Zeit fürs Schreiben und Aufnehmen zu haben“, droht er, „guck dir doch einen wie Van Gogh an: Der hat alle seine Bilder in zehn Jahren gemalt. Ich will meine Zeit nutzen und soviel Musik machen wie möglich, bevor mir keine guten Ideen mehr kommen.“