oh, kommet doch all
„Hallo?“ – „Hallo, hier Rolling Stone, Deutschland. Spreche ich mit Solomon Burke?“ – Ja. Genau. Tut mir leid. Ich dachte, mein Sohn sei dran. Ich hüte gerade neun meiner Enkel. (Zur Seite:) „Ja, sweetie, ich komme gleich. Geh nur zurück in die Küche.“ In Los Angeles ist es gerade mal acht Uhr morgens. Solomon Burke ist aber bereits seit anderthalb Stunden auf den Beinen – ein vielbeschäftiger Mann, denn neben seinen insgesamt 64 Enkeln (von 21 Kindern), seiner Arbeit als Bischof und zugelassener Leichenbestatter beansprucht ihn nun auch sein längst falliges Comeback als „King of Soul“.
Die Geschichte des neuen Albums „I Don’t Give Up On Me“ ist aber so fantastisch, das er sie immer wieder gern erzählt und jedesmal, ab und zu von einem röchelnden Lachen unterbrochen, ein bisschen mehr ausschmückt „Ich traf Andy Kaulkin in Portland. Er sagte, er sei der Chef von ,Fat Possum‘ und würde gern mit mir zusammenarbeiten. Ich dachte erst, ,Fat Possum‘ sei ein Football-Team und sie wollten mich, weil ich auch ein bisschen fett bin, als Maskottchen. Da bin ich schnell weggelaufen, because1ain’t nopossum (lacht). „Doch auf dem Weg zurück nach Los Angeles traf er, wie es der Zufall so will, Kaulkin im Flugzeug wieder, und das Missverständnis klärte sich: Als Burke dann auch noch erfuhr, dass „Fat Possum“ ein Unterlabel von „Epitaph“ ist, fühlte er sich dort als Leichenbestatter gleich gut aufgehoben.
„Epitaph“-Präsident Kaulkin hatte schon konkrete Vorstellungen: „Was würdest du sagen, wenn die ganz großen Songschreiber wie Bob Dylan oder Brian Wilson für dich ein paar Songs schrieben? Würde dir das gefallen?“ Da konnte Solomon schwerlich ablehnen. „Ich hatte nur zwei Fragen. Erstens: Wie willst du das hinkriegen? Und zweitens: Wo ist der Scheck?“, lacht er. „Der Vertrag lief über zwei Jahre. Ich dachte: Das schafft der nie. Ich tue einfach nichts und kriege dafür Geld. Super!“
Doch schon ein paar Tage später traf im „Fat Possum“-Büro ein ganzer Waschkorb mit Demotapes von Elvis Costello, Bob Dylan, Carole King, Van Morrison und anderen Großen ein. Stoff für mindestens zwei komplette Alben. Die Auswahl durfte Kaulkin treffen. „Ich habe ihm gesagt: Das ist dein Projekt. Wähl du aus und überreiche mir die Songs als Geschenk.“
Das Album wurde dann schließlich innerhalb von vier Tagen live im Studio eingespielt. Alles sehr spontan, so traf Solomon Burke den Produzenten Joe Henry erst am ersten Aufhahmetag, hörte sich dann die Songs jeweils einmal an und sang sie ein. An der Orgel: sein blinder Kirchorganist Rudy Copeland, den er ebenfalls ad hoc rekrutierte, da Billy Preston krank geworden war. „Hey Rudy, Lust auf’ne kleine Aufhahmesession?“ – „Na klar. Was muss ich tun?“ – „Spiel einfach so, wie du’s sonst in der Kirche auch immer machst.“
Eine Methodik, die den Perfektionisten Elvis Costello, der Burke im Studio besuchte, sichtlich irritierte, wie Solomon nicht ohne Stolz erzählt: „Er fragte: ,Wie findest du meinen Song?‘ Ich sagte: ‚Ich hab ihn noch nicht gehört.‘ – ‚Was? Aber du willst den doch jetzt aufnehmen! Na, dann sing ich dir jetzt mal vor, wie ich mir das vorstelle.'“ Als Costello ihm auch noch erklärte, dass sein Song „The Judgement“ die Fortsetzung des Burke-Stücks „The Price“ sei, kannte die Bewunderung keine Grenzen mehr. „‚The Price‘ war immer ein besonderer Song für mich, und ich hatte von Anfang an das Gefühl, er sei unvollendet. Und plötzlich steht ganz unvermittelt dieser englische Gentleman im Studio und erzählt nur, er habe ihn vollendet Ich saß neben ihm und dachte: Mr. Costello, könnte ich ein Autogramm haben? Ich meine, er ist doch der König von Großbritannien, oder?“
Nur eine von zahlreichen „Don ‚t Give Up On Me“-Episoden. Zu allen Songs kann Solomon Burke eine Geschichte erzählen. Er redet über sie, als gehörten sie schon immer zu ihm so singt er sie auch. Es scheint, als habe er zu seinen 21 Kindern noch elf dazubekommen. Den Titelsong will er seiner Bank und allen Leuten schicken, denen er Geld schuldet, juxt er. „I‘ Don’t Give Up On Me“? Ganz bestimmt nicht.