Oddball’s Coming Home!
Ian Broudie fühlte sich wie eine Hure, als alle nur seinen Fußball-Song wollten. Jetzt hat er eine Soloplatte gemacht.
Aus der Sicht Ian Broudies ergibt es eigentlich keinen Sinn mehr, über die Lightning Seeds zu reden, und das kann man ja verstehen. Immerhin sind seit der Auflösung der popseligen Liverpooler schon fünf Jahre vergangen, fünf Jahre, während der Broudie The Coral und The Zutons produzierte und ansonsten viel Zeit hatte, sich von der Vergangenheit zu verabschieden.
Wobei das Wort „Auflösung“ hier natürlich nicht richtig ist: Die Lightning Seeds waren eine One-Man-Band, die Überschrift für eine bestimmte Idee des Ian Broudie, nicht mehr und nicht weniger. Und doch – Als das Ende kam, war die Idee so dingfest geworden, dass der Abschied schwer fiel. „Ich hätte um meiner selbst und der Qualität willen wohl schon eine Platte vorher aufhören sollen“, findet Broudie im Nachhinein, „aber das Ganze hatte sich extrem verselbstständigt. Ich schrieb für eine Band, ich sprach für eine Band, und seltsamerweise fühlte ich mich als Teil einer Band – auch wenn die anderen ja tatsächlich immer nur hiredgims waren. Am Ende brauchte ich dringend etwas Raum zum Atmen.“ I Dass der fehlte, liegt nicht zuletzt am international gegrölten Fußball-Lied „Three Lions“, jener im Vorübergehen geschusterten Auftragsarbeit, die man in England seither eins zu eins mit Broudie identifiziert. „Nach so einer Sache wird alles sehr schwer. All die Konzertbesucher, die live immer lauthals diesen Song forderten, die Band aber eigentlich nicht kannten, haben bei mir immer ein komisches Gefühl ausgelöst – so, als würden die uns verwechseln. Man fühlt sich ein bisschen wie eine Hure.“
Rückblickend findet Broudie, der nun doch eine ganze Menge von früher erzählt, dass er sich bei den Lightning Seeds ohnehin ein Stück weit verstellt habe. Die hohe Gesangstimme, der unverhohlene Pop. die geschmeidigen Melodien – das alles habe mit dem wahren Ian Broudie so viel nicht gemein. Den könne man jetzt viel besser hören, auf einer neuen Platte namens „Tales Told“, auf der der mittlerweile 46-Jährige zarten, spartanisch akustischen Folk singt und in den besten Momenten einen recht intimen Ausdruck hinbekommt.
„Die meisten dieser Songs sind nachts entstanden, wenn man schon müde ist und vielleicht ein bisschen weinselig. Ich wollte ganz klassisch Geschichten erzählen, doch die Songs sind am Ende ziemlich persönlich geworden. Vermutlich hätte man das auch vorher wissen können – immerhin spiegelt die Platte einen Prozess wider, in dessen Verlauf ich als Mensch und Musiker wieder zu mir selbst gefunden habe. Das hier ist kein Projekt und keine Auftragsarbeit. Das hier ist der Beginn von etwas Neuem.“