Oasis – Berlin, Columbiahalle
Exklusiv und all inclusive: Oasis testen vor treuer Gemeinde beim einzigen Deutschlandkonzert ihre neuen Songs für die anstehende Tour
Ganz vorne im Strafraumgetümmel, da wo’s weh tut, wo Brillen, Shirts und Schuhe irreparabel Schaden nehmen, sind Oasis kaum zu hören. Zu laut und schrill tönt es ringsum, zu selbstvergessen gibt man sich dem Massenkaraoke hin. Singalongtoasis. Melodien und Texte nicht memoriert, sondern absorbiert. Schon der Opener, das eher marginale „Turn Up The Sun“, gerade eine Woche im Handel, ist Kollektivgut „Lyla“ wird begrüßt wie eine alte Liebe, „Bring It On Down“ bejubelt, und als die ersten Akkorde von „Morning Glory“ die Halle füllen und der Fangesang noch ein paar Dezibel zulegt, beginnt sich auch im Mienenspiel der Musiker etwas zu regen, was sich als gönnerhafte, gutgelaunte Akzeptanz deuten ließe. Hey, ihr seid es wert, daß wir für euch spielen. Mußte ja auch erstmal geprüft werden. Die Müdigkeit der letzten Nacht steckte noch in den Gliedern. „Need a little time to wake up“, raspelt Liam. Wissen wir doch.
Oasis sind auf Promo-Tour durch Europa, testen die Songs ihrer neuen LP auf ihre Live-Täuglichkeit, bevor sie dem Streß großer Festivals ausgesetzt werden. Noch hat man wenig Zutrauen ins neue Material. Wie anders wäre zu erklären, daß die von Sony abgesegnete Live-Übertragung des Konzerts durch Radio Eins von der Band kurz vor Konzertbeginn abgesagt wird? Dabei machen sie einiges her, die sechs Novizen. Besonders „The Importance Of Being Idle“ entwickelt live einen wunderbar lockeren Drive. „A Bell Will Ring“ klingt vertraut, Liams „The Meaning Of Soul“ mag kein genialer Song sein, aber allemal ein ideales Vehikel für our kid; allein Noels „Mucky Fingers“, auf Platte eine Bank, verdröselt ins Muckige. Was die Band sichtlich nicht stört. Oasis sind live elastischer als zu Britpop-Zeiten. Die neue Orthodoxie heißt Rock, und das Hilfepersonal kennt diesen Katechismus. Andy Bell und Gern Archer geben den Gallaghers qua Musikalität den nötigen Rückhalt, Zak Starkey trommelt nur solide, das aber souverän, und das George-Harrison-Look-alike (Zeb Jameson?) an Orgel und Piano spielt unspektakulär die Lücken zu. Ein machtvoller, ja monumentaler Sound ohne Dynamik, eine Klanglawine, die keine Gefangenen macht und nur im Live-Kontext funktioniert, für eine oder zwei Stunden. Noels Rolle ist mehr denn je die des Musical Director, der in Gestik und Mimik indes milder agiert als noch bei der letzten Tour. Wenn Blicke töten könnten, wäre Liam jede Nacht gestorben, wie Kenny in „Southpark“. Heute verzieht Noel nur leicht das Gesicht und grinst in sich hinein, wenn ein unbotmäßiger Ton an sein Ohr dringt. Und Liam? Wandelndes, oder besser: watschelndes Charisma! Bei ihm klingt es wie ein läppisches Understatement, wie Selbsterniedrigung, wenn er anhebt: „Tonight, I’m a rock ’n’roll star“. Die triumphante Feldherrenpose an der Bühnenkante hat er gegen eine Haltung eingetauscht, die sagt: I’m Liam, und einen Blick, der ergänzt: deem yourself lucky. Stimmlich muß er sich bereits bei den vorangegangenen Gigs verausgabt haben, denn die Gipfel von „Stop Crying Your Heart Out“ und „Champagne Supernova“ versucht er gar nicht erst zu erklimmen, und anderntags, bei „TV Total“, sind die Stimmbänder vollends zerschossen.
In Berlin gab’s noch Opium fürs Volk: „Wonderwall“ und „Don’t Look Back In Anger“, aus 3500 Kehlen, dann „My Generation“. „Hope I die ‚fore I get old“. Wissen wir doch.