Nur ein paar Lügen
Admiralspalast, Berlin
Der Admiralspalast ist ausverkauft, der Flügel sanft angeleuchtet. Randy Newman hat sich schick gemacht für den gediegenen Ort, sieht ausgeruht aus. Er beginnt mit „It’s Money That I Love“ und dem liebgewonnenen Witz: „It’s always nice to start with a spiritual like that!“ Im Grunde macht Newman eine Art Stand-up-Comedy, unterbrochen von grandiosen Songs. Und dann, wenn man sich gerade entspannt zurücklehnt und ein weiteres sarkastisches Weltsichtstück erwartet, bringt er einen mit „Living Without You“ fast zum Weinen. So geht das den ganzen Abend. Newman beherrscht das Spiel mit den Gegensätzen. Lustig – traurig. Laut – leise. Böse – sanft. Gut, allzu sanft eher selten.
Wie immer klatschen die Leute bei „Short People“ am lautesten, auch „Birmingham“ wird dankend angenommen. Es sind die kleinen Einschübe, durch die auch die bekanntesten Lieder eine neue Dynamik bekommen. Nach einer besonders gelungenen Zeile wirft er mal ein „I tell you!“ ein, an anderer, völlig unpassender Stelle: „Guitar solo!“ Er berichtet davon, dass er es so gern unter die Top-10.000-Komponisten des vergangenen Jahrhunderts schaffen wollte – mit „The Girls In My Life (Part 1)“. Vor „The World Isn’t Fair“ erzählt er natürlich von seinen fünf Kindern und der jungen Frau, auch die Mitsing-Scherze von „I’m Dead (But I Don’t Know It)“ sind vertraut. Aber wenn einer etwas so gut kann wie Randy Newman, warum sollte er dann das Patent ändern? Er denkt sich jedes Mal ein paar neue, höchst amüsante Geschichten aus, mischt sie mit alten Schnurren – und noch heute schreibt er unfassbar rührende Lieder wie „Losing You“.
Wenn Bruce Springsteen allein mit Gitarre auf der Bühne sitzt, ist das auch grandios, aber in manchen Momenten durchaus unangenehm, weil fast zu nahe. Newman wirkt nie unsicher, er hat die Lage jede Sekunde im Griff (es sei denn, er verspielt sich doch mal), und muss dabei nie den Zampano machen wie zuweilen Billy Joel. Er ist einfach: ein Songschreiber am Klavier. Nach „Political Science“ macht er Pause, dann kommen noch einmal 15 Songs. Das eher verzichtbare „You’ve Got A Friend In Me“ wählt er wahrscheinlich nur aus, um eine bitterböse Geschichte zu „Toy Story“ zu erzählen (wer sonst gibt schon zu, dass er einem Kind gern mal einen Ellenbogen ins Gesicht rammen würde?), und direkt danach – wieder so ein wunderbarer Bruch – folgt „I Miss You“.
Die wenigsten seiner Lieder seien autobiografisch, behauptet Newman, „sonst wäre ich längst in einer Anstalt“. „Dixie Flyer“ komme allerdings mit nur sehr wenigen Lügen aus. Er spielt jetzt fast nur noch Lieblingslieder, mit „Feels Like Home“ verabschiedet er sich. Nach der Zugabe „A Few Words In Defence Of Our Country“ wird er übermütig: „Next time: Olympic Stadium!“ „I Think It’s Going To Rain Today“ klingt dann wieder wie hingetupft, und danach müsste eigentlich Schluss sein. Die Türen gehen auf, die Lichter an. Newman kommt trotzdem zurück und spielt seelenruhig „Sail Away“. Everybody is as happy as a man can be. birgit fuss