No more Mr. Bad Guy! Trail Of Dead im Interview und auf Tour
Wir sprachen zum Release von "Tao Of The Dead" mit Conrad Keely und Jason Reece über Einflüsse, dumme Fragen, Brainfucks und das Gefühl, eine der letzten 90er-Bands zu sein. Noch bis zum 09.04. sind sie auf Tour
Trail Of Dead sind noch bis zum 09.04. in Deutschland auf Tour – und zwar hier: 30.03. Bielefeld (Forum Bielefeld), 08.04. Hamburg (Uebel & Gefährlich), 09.04. Berlin (Astra). Am 03.04. werden sie zudem in Hamburg im Studio101 im Musikhaus Karostar (Neuer Kamp 32 ) um 15 Uhr eine Ausstellung ihrer Artworks eröffnen und um 17 Uhr eine Live-Session spielen. Der Eintritt ist frei. Hier unser Interview, das wir kurz vor dem Release von „Tao Of The Dead“ führten:
Die Sambatänzer mussten draußen bleiben, denn an diesem Dezember-Abend gehörte das Parkett der schicken Tanzschule Astair in Kreuzberg Jason Reece und Conrad Keely von … Trail Of Dead, die mit Klavier und Akustikgitarre Teile ihres neuen Albums „Tao Of The Dead“ vorstellten. Sie taten das vor der wohl höchsten Kritikerdichte, die Berlin aufbringen kann − nämlich vor den versammelten Mitarbeitern der Zeitschriften „Metal Hammer“, Rolling Stone und „Musikexpress“, die hier vor und nach dem Konzert ihre Weihnachtsfeier begangen.
Ein Akustik-Konzert hätte früher, in den wilden Jahren der Truppe, eher nicht so gut gepasst. An diesem Abend jedoch benahmen sich Keely und Reece vorbildlich, ließen sich erst vom Online- später vom Chefredakteur mit Schnaps versorgen und zeigten zwischendurch, dass ihre Songs auch ohne elektrischen Gitarrenkrach funktionieren.
Zum Beispiel „Weight Of The Sun“, der laut Band den Prometheus-Mythos in die Postmoderne überführen will. Dafür bedient man sich zunächst einige Sekunden beim Folk der späten Sechziger, bevor der Song einen hypnotischen Gitarrensog entwickelt und schließlich als kraftvolles Klagelied verglüht.
Das Klavier kam dann beim Gang durch das „Wasteland“ zum Einsatz, der als vorsichtiges Umschauen beginnt und als stürmische Flucht endet. „Keep on thinking that you found a track on your way out of the wasteland“, sang Conrad Keely und spuckte den Songtitel angriffslustig und mit leuchtenden Augen ins Mikrofon. So viel Rabaukentum musste dann doch noch sein.
Die lauten Gitarren gab es an diesem Abend nicht, aber es gibt sie zur Genüge auf ihrem neuem Album „Tao Of The Dead“, über das sie am Nachmittag vor dem exklusiven Gig mit uns sprachen (und das man momentan hier in voller Länge hören kann). Wobei sie die Standardfragen schon gleich im Vorfeld abwatschten. Mit dem Album bekam man einen Zettel voller „Fragen, die du vielleicht haben könntest“ inklusive ihrer Antworten. Ein Auszug:
Wo wurde das Album aufgenommen?
In der Sonic Ranch in El Paso, Texas.
Habt Ihr interessante Geschichten über das Einspielen des Albums?
Nein.
An welchem Punkt eurer Karriere steht dieses Album?
Es ist unser siebtes Album.
War es ein schwieriges Album?
Nein, es war kinderleicht.
Wie passt das Album in die aktuelle Musikszene?
Wir hoffen, es passt nicht.
Was waren einige der Einflüsse für das neue Album?
Kraftwerk, Rush, sicherlich vergessen wir einen oder zwei…
Warum heißt das Album TAO OF THE DEAD?
Jason hatte die Idee zu diesem Wortspiel, weil wir das Tao Te Ching als Inspiration für die Texte benutzten.
Interessant, könntest du mehr dazu sagen?
Nein, nicht wirklich.
Schon an diesem Gag merkt man, dass die letzten beiden verbliebenden Köpfe der Trail Of Dead-Urbesetzung alte Hasen sind. Das Abhaken der Standardfragen oder jener Fragen, die unvorbereitete oder ignorante Pressenasen und -hasen abspulen, wird hier auf amüsante Weise entlarvt. Dennoch sind Jason Reece und Conrad Keely mitnichten journalistenfressende Wüteriche. Während sie am Nachmittag vor dem oben beschriebenen Gig im Ramones-Museum in Berlin ihre Interviewpflichten erfüllen, geben sie eher die abgebrühten Schmunzler.
Gab es Fragen, die noch blöder oder einfallsloser waren, als die auf eurem Promozettel?
Keely: Diese hier könnt so ein Kandidat sein (lautes Lachen). Aber mal im Ernst: Ich vergesse dumme Fragen sofort wieder. Oder ignoriere sie völlig. Jim Ward von At The Drive-In sagte mir einmal, als ich mich über einen besonders blöden Vertreter deiner Zunft aufregte: „Ich rede in Interviews nur über Themen, auf die ich Lust habe. Die wollen doch was von mir.“ Eine gute Philosphie, die ich mir angeeignet habe. Wir sind schließlich eine Band, die manchmal was zu sagen hat. Und wenn dem so ist, hauen wir unsere Meinung zu unserem gerade aktuellen Lieblingsthema raus. Da ist es völlig egal, was vorher gefragt wurde. Ich blende das aus und nutze das als Atempause.
Eure Alben erscheinen einem jedoch zunächst immer recht erklärungsbedürftig. Ihr verarbeitet Einflüsse aus Kunst, Literatur, Geschichte, Religion, Philosophie und klassischer Musik, habt überbordende Songs und Artworks – meint ihr nicht, da könnte es helfen, wenn ihr in Interviews den Fans eure Alben erklären könnt?
Keely: Ich mag eher die Leute, die sich ihren eigenen Reim darauf machen. Und wenn unsere Vorlage komplex ist, umso besser. Die Interpretationen, die wir von unseren Fans geschickt bekommen, sind im Idealfall viel genialer und facettenreicher, als wir sie jemals hätten vorlegen können.
Was hat es denn mit dem Einfluss des “ Tao Te Ching“ auf euer Album auf sich? Ihr sagt explizit, dass ihr euch darauf bezieht.
Keely: Das ist genauso eine Sache. Wenn wir einfach nur sagen würden, uns hat das Buch inspiriert, denkt gleich ein Jeder: „Wow, ein Konzeptalbum über einen DER klassischen Texte der chinesischen Kultur.“ Dabei war es einfach so, dass ein Exemplar davon in unserem Studio herumlag. Viele Lyrics auf dem Album, besonders in der zweiten Hälfte, sind direkt aus dem Buch.
Reece: Wobei man festhalten sollte, dass wir nicht stumpf geklaut haben, sondern uns daran inspiriert haben (lacht). Na ja, andererseits war der Rock’n’Roll ja schon immer eine Geschichte des Plagiats.
Keely: Später haben wir festgestellt, dass wir mit einer sehr genialen Übersetzung gearbeitet haben. Es gibt hunderte. Die Version, die bei uns im Studio rumlag, war eine besonders poetische. Die Metaphern darin sind unglaublich bilderreich und gelungen.
Ihr habt also so was wie ein Remix des „Tao Te Ching“ gemacht – da lässt sich ja ganz famos über Copywright-Dinge nachdenken.
Keely: Nun ja. Das Buch ist so alt – wie alt genau, weiß ja niemand -, dass wir wohl keine Klagen befürchten müssen.
Ich habe heute mal nachgeschaut, wann ich euch das erste Mal live gesehen habe. Das war 2002 in Bielefeld im Forum, als ihr mit „Another Morning Stoner“ recht oft im Musikfernsehen gespielt wurdet. Da war ich im Vergleich zu vielen meiner Freunde allerdings schon recht spät dran. Die hatten euch schon viel länger auf dem Schirm. Was ich damit sagen will: Ich habe das Gefühl, euch gibt’s, seit ich selber zu Konzerten fahren kann. Fühlt ihr euch manchmal wie alte Hasen?
Keely: Ja. Schon. Wir kamen ja direkt aus dem 90er-Jahre-Taumel heraus, als die Zeiten noch rosiger waren und die Major-Firmen unglaublich viel Geld in Richtung der Bands warfen. Und dann kam der Bruch, die Internetpiraterie blühte auf, die Labels kamen nicht mit und gingen vor die Hunde. Diesen Wendepunkt gesehen und gespürt zu haben, verstärkt das Gefühl noch. Manchmal komm ich mir vor, als wären wir die „last 90ies band standing“.
Reece: Ebenso seltsam ist es, Bands kommen und gehen zu sehen. Da war man jahrelang befreundet, mehrmals auf Tour und plötzlich gibt’s die nicht mehr. Und uns immer noch. Vielleicht deshalb kommt’s mir vor, als hätten wir mehr Platten gemacht, als jede aktive Band, die ich kenne. Aber das war schon von Anfang an unsere Intention. Wir haben die Band als eine Langzeit-Liebschaft geplant. Wir haben nie gedacht: Lasst uns Rockstars werden, ein paar Jahre eine gute Zeit haben und dann nochmal an die Uni gehen, um unseren Doktor zu machen. Das kotzt mich bei vielen jüngeren Bands heutzutage an. Diese Hobby-Attitüde, dieses betont Sorglose. Die trivialisieren dieses Gefühl, Kunst zu schaffen, völlig. Aber ich bin in der Hinsicht ein harter Richter. Und ein Arschloch. Ich hasse die meiste neuere Rockmusik. Auch wenn ich nie so werden wollte.
Ist es mehr die Musik, oder die Attitüde, die dich da stört?
Reece: Keine Ahnung. Vermutlich letzteres. Und in milden Momenten, denke ich auch schon mal, dass es irgendwie im Pop-Biz schon immer so war. Dass manchmal das Image besser verkauft als die Kunst. Aber heute rückt mir das mehr auf die Pelle, weil man das alles über das Internet ja viel besser mitbekommt. Man kann sie nicht mehr so leicht ausblenden.
Keely: Ich glaube, die Popwelt funktioniert da wie ein großes Pendel. Und im Moment haben wir scheinbar das eine Extrem, wo jeder auf Nummer Sicher spielt. Was auch damit zu tun hat, dass es in der Wirtschaft ja nicht zu rosig aussieht.
Reece: Ja. Heute will jeder das Hook. Diese schnelle Pop-Hook, dass dich gefälligst spätestens noch 30 Sekunden gepackt hat. Und dass man dann ebenso schnell wieder über hat. Bescheuert.
Um nochmal auf mein erstes Konzert von euch zurückzukommen. Damals habt ihr am Ende des Sets immer euer Equipment zerhauen. Ich fand es sehr lustig, dass da so ein breitkreuziger Roadie auf die Bühne gesprungen kam, der versucht hat, euch beide daran zu hindern, die Gitarren in die Amps zu schlagen. War das tatsächlich sein Job?
Reece: Nun ja. Schon. Diese Leute hatten halt die nötige Weitsicht, dass unser Equipment noch drei Monate halten musste.
Keely: Daran haben wir natürlich nie gedacht. Für uns ging es um den Moment. Die Show. Man steht nicht da oben und denkt ans Budget.
Warum habt ihr damit aufgehört? War doch jedesmal ein großer Spaß. Man hatte nur nachher das Gefühl, die Leute fieberten ab dem zweiten Lied auf diesen Moment zu.
Keely: Ja. So war es dann auch. Wir waren dann eben „Die verrückte Band, die ihre Instrumente zertrümmert“. Das nervt auch irgendwann. Wir haben dann eher versucht Shows zu spielen, die dich auch ohne diese Aktionen umhauen.
Reece: Wir haben uns das nie als Konzept ausgedacht. Es waren ehrliche Wutausbrüche. Aber für das Publikum wurde es irgendwann zum bloßen Gimmick. Und das wollten wir nicht. Wir sind keine Gimmick-Band, kein One-Trick-Pony.
Ich habe vorhin versucht, das Album zu hören und dabei ein kompliziertes Buch zu lesen. Ging nicht. Ihr betreibt ja bisweilen ein recht komplexes Referenzkarussell und werft mit Metaphern um euch. Da musste ich daran denken, wie ein Freund eure Alben mal als „Brainfuck“ bezeichnet hat. Gibt’s ein Kunstwerk – egal ob Album, Buch oder Film – das auch mal so einen Effekt auf euch hatte.
Reece: Unbedingt. Als ich „Holy Mountain“ von Alejandro Jodorowsky zum ersten Mal auf einer großen Leinwand gesehen haben, hat mir das völlig das Gehirn zerfickt. Das war unglaublich. Solltest du auch mal probieren. Dagegen ist das, was auf unseren Alben passiert Kinderkram.
Kurzdoku über das neue Album „Tao Of The Dead“